Selina Holešinsky entwickelt in ihrem Debüt „Schaltiere am Waldboden“ ein atemraubendes Pilot-Projekt
„Vati erklärte mir das mit den Autos so, dass der Staat wollte, dass die Menschen ihre Autos aufgaben, weil jemand, der noch größer war als der Staat, es so verlangte. Daher konnte man auch dem Staat nicht die Schuld geben. Je weiter man aber nach dem Schuldigen suchte, desto höher hinauf musste man, und irgendwann landete man beim Wetter. Und dort liegt das eigentliche Problem, weißt du, Marillchen? Also hatte der Staat unser Dorf ausgewählt, weil es alleine war, einsamer und ruhiger als alle anderen Dörfer zusammen. So ruhig sogar, dass vor einiger Zeit eine Welle Stadtmenschen dieses Dorf aufgrund seiner Idylle geflutet hatte. Das Warenhaus der schönen Dinge hatte das Dorf nach fiebriger Suche als Kulisse für seinen Gartenkatalog ausgewählt, während alle Dorfmenschen und alle Stadtmenschen wochenlang spekulierten, welches Dorf gewinnen würde. Dörfer wurden auf Listen gesetzt, Bilder verschickt, das Für und das Wider an saftigen Grashalmen herbeigezogen und verworfen. Den Dörflern ging es um ihren Stolz, den Städtern um den Traum von Idylle am Land, dem nur ein kleiner Teil der Stadtmenschen tatsächlich nachging. Dieser kleine Teil aber bevölkerte das auserkorene Gewinnerdorf in einer Dichte, wie es die Dorfmenschen nicht erwartet hatten. Die Neuen, sie kamen mit verklärten Augen und träumenden Worten. Sie kamen mit Bildern, die sie über das bröckelnde Gemäuer, die tropfnassen Dächer, die leeren Speisekammern stülpten und die ein Glück mitbrachten, das den Hiesigen nicht angenehm war.“
Gibt es eigentlich noch den Manufactum-Katalog, die Welt der schönen, alten Dinge, wo weder Thermomix noch Saugroboter zu finden sind, sondern Butterfässchen mit Handkurbel und ähnlicher Retroschick? Selina Holešinsky macht in ihrem Debüt „Schaltiere am Waldboden“ ein Dorf zum Schauplatz ihrer Dystopie, dessen naturnahes Idyll es zunächst zur Kulisse für das „Warenhaus der schönen Dinge“ kürt und es dann zum Modell für das Klimaprojekt der Regierung macht. Seine Bewohner hatten Auflagen zu erfüllen, denen sie wegen der großen Krise, höchst „Retrograde Dystopie“ weiterlesen








