Wer, wo, wie und was beantwortet Thomas Böhm in Das Lesekreisbuch
Da ich selbst seit einigen Jahren an einem Lesekreis teilnehme und die Hürden und Tücken einer solchen freiwilligen Versammlung lesewilliger und diskussionsfreudiger Menschen mit unterschiedlichem Buchgeschmack kenne, war ich begeistert als ich diesen Titel sichtete und griff sofort zu.
Es sollte mein Schaden nicht sein. Ein bis zwei vergnügliche Lesestündchen habe ich mit dem Buch verbracht. Aber bin ich nun schlauer als zuvor?
Thomas Böhm, der lange den Lesekreis des Kölner Literaturhauses leitete, plaudert aus dem Nähkästchen und geht dabei gleichzeitig sehr analytisch vor.
Er beginnt wirklich ganz am Anfang. Das Cover, auf dem Nachbarn über Balkonbrüstungen hinweg die Literaturdiskussion suchen, ist Programm. Wie findet man also Mitglieder, wenn nicht die eigenen Nachbarn ebenso begeisterte Leser sind? Wo trifft man sich am besten? Was sollte man bei der Lektürewahl berücksichtigen?
Böhm gibt Tipps, wie man die vereinbarte Lektüre liest. Am besten mit Stift und Zettel, damit die unmittelbaren Leseassoziationen nicht verloren gehen. Er rät, sich unbedingt auf den Abend vorzubereiten, indem man sich Fragen stellt und notiert. Gerade diese Abschnitte sind die wertvollsten dieses Ratgebers, sie sollten in jedem Lesekreis zur Lektüre empfohlen werden. Sie bringen zwar generell keine neuen Erkenntnisse, vor allem nicht denjenigen, die schon lange an derartigen Runden teilnehmen. Böhm formuliert jedoch die Betriebsanleitung der Buchdiskussion prägnant und mit einem Augenzwinkern.
Für alle Anfänger liefert das Buch zudem ein paar lebenspraktische Details, Bewirtung und Kostenverteilung, Anfahrtsprobleme und ein paar Ideen für Bücherspiele, die jedoch eher ihren Platz beim Kindergeburtstag haben.
Am Schluss gibt es einen kurzen historischen Abriss in Dialogform und mehrere Leselisten von leseerprobten Menschen. Jeweils zehn Lektürevorschläge von Henning Ritter, Joachim Sartorius, Denis Scheck, Georg Klein, Joachim Król, eine ausführlich kommentierte Liste von Sigrid Löffler, sowie eine knapp kommentierte von Antje Deistler.
Der Autor selbst liefert gleich zwei Listen für diesen Anhang, eine mit erprobten, diskussionsträchtigen Lektüren und eine Wunschliste.
Hallo Atalante,
unser Lesekreis besteht zwar schon seit einem Jahr, trotzdem hatte ich mir von diesem Buch weitere Anregungen erhofft.
Einige Themen, die hier aufgegriffen wurden, empfand ich als zu „selbstverständlich“, als dass man sie nochmals explizit im Detail hätte erklären müssen. Aber das empfindet jeder anders, und mancher Neuling ist vielleicht dankbar für die Tipps. Deswegen habe ich über einen Großteil der Kapitel eher oberflächlich hinweggelesen.
Wie Du bereits sagtest ist der Abschnitt, in dem Böhm sich mit Lektürevorbereitung beschäftigt, der informativste, da man ein paar Vorschläge erhält, mit Hilfe welcher Diskussionspunkte man in das Gespräch findet.
Schade, dass der Abschnitt mit den Lesevorschlägen so kurz gehalten wurde, handelt es sich doch hierbei um die Gretchenfrage, die sich den meisten Lesekreisen stellt: Was sollen wir lesen? Die Listen der diversen Kritiker sind meist (bis auf die Ausnahmen Löffler und Deistler) auch nur dies: Listen. Hier hätte ich mir wenigstens eine paar kurze Erläuterungen gewünscht, weshalb gerade diese Bücher sich besonders gut für eine Diskussion eignen. Warum hat uns der Verfasser des Buches bei seinen Vorschlägen nicht an seiner langjährigen Erfahrung in solchen Gruppen teilhaben lassen? Außerdem kann ich die Auswahl einiger Bücher nicht ganz nachvollziehen: in meinen Augen eigenen sich Lektüren wie „Friedhof der Kuscheltiere“ doch eher für das einsame Gruseln unter der Bettdecke als für angeregte Diskussionen unter Leseratten. Denis Scheck schlägt uns u.a. „Die Peanuts“ oder „Die Duck-Geschichten“ vor (ich weiß überhaupt nicht, wie ich das kommentieren sollte).
Mein abschließendes Resumee ist, dass man sich die Informationen, die dieses Buch liefert, auch sehr gut im Internet holen kann.
Herr Scheck hat vielleicht einen Scherz gemacht. Allerdings kenne ich einen jetzt nicht mehr kleinen Jungen, dem Donald Duck schon in frühen Jahren das Wort „Anachronismus” schenkte. 😉
Mit einem anderen Kritikpunkt hast Du auch mich erwischt. Ich sollte meine Literaturvorschläge eigentlich ausführlicher kommentieren.
Für Menschen, die eine solche Gruppe gründen wollen, gibt das Buch dennoch viele Tipps. Und nicht jeder kann sich ja „das Internet ausdrucken lassen”. 😉
Hallo Lesefreunde
Es gibt auch noch ein andere Möglichkeit, an einem Lesekreis teilzunehmen: nämlich im Urlaub. Seit Jahren haben wir unseren Lesekreis jeweils im April am Lago Maggiore (Oberitalien). Die Programme für kommendes Frühjahr sind auf http://www.corona-sapere.ch zu finden. Besprochen werden: Else Lasker-Schüler, Walter Benjamin, Shakespeare und Italo Svevo.
Obwohl Werbung lasse ich den letzten Kommentar mal stehen, immerhin ist er themenbezogen und vielleicht für den ein oder anderen interessant. Als Werbepartner erwarte ich dann natürlich einen Nachlass. 😉
Hallo Atalante
Das Büchlein habe ich mir auch zugelegt. Es wäre für uns vielleicht hilfreich gewesen, als wir unseren Leszirkel gegründet haben, das ist jetzt sicher zehn Jahre her. Was mich aber heute noch beschäftigt, ist die Teilnehmerzahl. Wir haben zu viert angefangen, waren bald zu fünft, am Schluss gar acht Frauen. Nun sind wir wieder zu sechst, was ich angenehm empfinde und die Gruppe ziemlich gut harmoniert (davor hatten wir mal grausamen Ärger), was ja nicht heissen muss, dass wir nun alle einer Meinung sind, was den Lesestoff betrifft. Nun wünscht sich ein Mitglied wieder Zuwachs, was mir nicht mehr behagt, denn wir sind erst letztes Jahr mit einem neuen Mitglied auf die Schnauze gefallen. Mein Bedarf an Neulingen ist ziemlich gedeckt. Ich bin einfach der Meinung, dass Qualität wichtiger als Quantität ist, das hat auch die Erfahrung aus der Vergangenheit gezeigt. Ist es wichtig viele Mitglieder zu haben oder geht es auch mit der Anzahl die wir jetzt haben? Wieviele Personen machen bei euch mit?
Deine Meinung würde mich sehr interessieren.
Hallo Büchermaniac,
danke für Deinen Kommentar und Dein Interesse an unserem Literaturkreis. Eine Gruppe von sechs Personen scheint mir ideal, meiner Meinung nach lässt sich auch zu zweit ordentlich über ein Buch diskutieren, nur dürfte sich dann die Bezeichnung Literaturkreis verbieten. 😉
Wie sind mittlerweile zu zehnt. Das ist für unsere Gruppe ganz in Ordnung, aber mehr dürfen es wohl nicht werden. Zumal wir das basisdemokratische Prinzip haben, daß reihum jeder ein Buch vorschlagen darf. Bei einem Turnus von sechs Wochen dauert es also über ein Jahr bis man wieder dran ist. Wie regelt ihr die Buchauswahl?
Das ging ja schnell, mit deiner Antwort.
Wir treffen uns auch etwa alle sechs Wochen, reihum, bei einem Mitglied zu Hause. Der Gastgeber stellt die Lektüre vor (meist 4–5 Titel), danach gibt jedes Mitglied seine Punkte ab. Das Buch, das die meisten Punkte erzielt, wird bis zum nächsten Mal gelesen. Mit sechs Personen kommt jeder einmal dran, innerhalb eines Jahres. Vor allem möchte ich auch noch genügend Zeit haben, für meine eigenen Bücher und nicht nur Romane für den Lesezirkel lesen müssen.
Ein Punktesystem, das klingt sehr schön demokratisch. Wie viele Punkte dürfen denn vergeben werden?