LOVOS in der Jurte — Manufacere versus Intellegere

Birgit Vanderbeke lobt in ihrem Roman „Das lässt sich ändern” das einfache Leben

Ich hab nix, und du hast nix, lass uns was draus ma­chen.“-Ton, Stei­ne, Scherben

Wer fei­ge ist hat Mut, nur was bil­lig scheint, ist gut.“ ‑Die Ärzte

Dei­ne Sehn­sucht hat jetzt Sinn, nimm sie mit, du weißt, wo­hin.“ –Ton, Stei­ne, Scherben

Und noch mehr die­ser un­säg­li­chen Rei­me, die einst die Müs­li­bar­den dich­te­ten, drän­gen sich auf den knapp 150 Sei­ten des neu­en Ro­mans von Bir­git Van­der­be­ke. Er spielt in den frü­hen Acht­zi­gern, als sie be­gann, die Re­nais­sance der gu­ten, ein­fa­chen Din­ge, und er er­zählt die Lie­bes­ge­schich­te zwi­schen ei­nem LOVOS und ei­ner Stu­den­tin, die sich nach der Re­pa­ra­tur ei­nes ver­stopf­ten Wasch­be­ckens zum be­wuss­ten Le­ben be­keh­ren lässt. Ein biss­chen viel Alt-68­zi­ger und 80ziger Jah­re Flo­ka­tis­ten mu­tet Van­der­be­ke ih­rer Le­se­rin zu. Gut­men­schen, die die wah­ren Wer­te auf dem Floh­markt fin­den, La­ger von viel­leicht ein­mal Ver­wert­ba­rem an­le­gen, kei­ne Com­pu­ter aber ei­ne gut sor­tier­te Hand­werks­kis­te ha­ben, Ju­te statt Plas­tik tra­gen und ih­ren Nach­wuchs nie­mals ge­kauf­te gel­ben Rutsch-Au­tos von Fi­sher-Pri­ce gön­nen wür­den. Sol­che nach­hal­ti­gen Gut­men­schen traf man da­mals, ges­tern und heute.

Ziem­lich kli­schee­be­la­den schil­dert Van­der­be­ke den Ge­gen­satz zwi­schen In­tel­lek­tu­el­len, die ei­nen Ham­mer nicht von ei­ner Zan­ge un­ter­schei­den kön­nen, und dem fin­di­gen Bas­tel­fex, der aus der ma­te­ri­el­len Not ei­ne Im­pro­vi­sa­ti­ons­kunst macht. Den Le­bens­stil der ge­nüg­sa­men Nach­hal­tig- und Wie­der­ver­wert­bar­keit, schil­dert sie zwar na­he am Grenz­be­reich zum Mes­sie­tum, je­doch lei­der voll­kom­men oh­ne Iro­nie. Der Mann hor­tet al­les, was die Stra­ße oder frem­de Dach­bö­den so her­ge­ben. Denn ir­gend­wann könn­te auch der krumms­te Na­gel noch ei­ne strah­len­de Wie­der­ge­burt er­le­ben. Adam, No­men est Omen, ist so­zu­sa­gen die Axt im Haus und er­spart nicht nur den Zimmermann.

Die klei­ne Fa­mi­lie zieht aufs Land, um al­les, was dort schlecht läuft zu än­dern. Das Al­pha­bet der zu be­ar­bei­ten­den Pro­ble­ma­ti­ken be­ginnt mit Al­ters­ein­sam­keit, ADS, Aus­län­der­feind­lich­keit. Sie al­le wer­den nach und nach be­ho­ben. Viel zu tun, aber Adam schafft das schon, die Zei­len der Scher­ben und der Ärz­te in­spi­rie­ren ihn und zie­hen sich wie ein ner­ven­der Dau­er­ton durch bei­nah je­de Sei­te des Romans.

Van­der­be­ke bie­tet in ih­rem Ro­man ei­ne nost­al­gi­sche Rück­schau auf das Mi­lieu der Acht­zi­ger. In ih­ren Au­gen war die Welt in den Acht­zi­gern „ei­ne ein­zi­ge Schlaf­ta­blet­te mit dick bun­tem Zu­cker­guss drum her­um.“ Trotz­dem ge­rät sie ihr zum Idyll.

Hat Adam ei­gent­lich auch die An­ti-AKW-Son­ne selbst aufs Scheu­nen­tor ge­malt, selbst­ver­ständ­lich un­ter Ab­sin­gen ei­nes wei­tern Ton-Stei­ne-Scher­ben-Lied­chens, um kein Geld für ei­nen bö­sen Auf­kle­ber aus nicht lö­sungs­mit­tel­frei­em Plas­tik zu spa­ren? Apro­pos Geld, wo­mit hat Adam wel­ches ver­dient, oder war er voll­kom­men aut­ark, ver­hei­ra­tet und auf sei­ne Rol­le als Ham­mer im Haus beschränkt?

Nein, ne­ben­bei hat er bei den aka­de­mi­schen Gut­ver­die­nern, die er ei­gent­lich ver­ach­tet, Alt­bau­woh­nun­gen re­no­viert, schwarz aber schizophren.

Geld an sich hat­te an­schei­nend kei­ne Be­deu­tung, und wenn dann ei­ne dia­bo­li­sche, „das neue Jahr­hun­dert war an­ge­bro­chen, ei­ne Men­ge Pa­pier hat­te sich als Blü­ten er­wie­sen, (…) nur Frit­zi und ich hat­ten noch pro for­ma ein Konto.“

Ihr merkt schon, ge­gen En­de war ich ziem­lich ge­nervt vom ge­schil­der­ten Öko­idyll. Den Hüh­nern wur­de vorm letz­ten Ga­ckern auch noch mal der Kopf ge­küsst. Das gab’s doch schon in ei­nem un­end­lich kit­schi­gen Film, nur wa­ren die Hüh­ner Schwei­ne und am En­de starb der Jür­gen mit der lich­ten Zahn­rei­he. Auf je­den Fall hat­te auch die­ser Film ei­ne Buch­vor­la­ge. Nur das dort noch hoch­dra­ma­ti­sche Lie­be, Krank­heit und Tod ei­ne Rol­le spielt, was bei Van­der­be­ke, sieht man ein­mal von den Hüh­nern ab, entfällt.

Ein durch und durch ge­sun­des, pa­ten­tes und nicht zu ver­ges­sen nach­hal­ti­ges Buch al­so, prä­de­sti­niert für den Bü­cher­schrank des wah­ren LOVOS oder LOHAS und be­stimmt dem­nächst im Ma­nu­fac­tum-Ka­ta­log gelistet.

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