Daniela Kriens Roman „Die Liebe im Ernstfall“ knüpft an die Frauenliteratur der Achtziger
Als Daniela Kriens Roman „Die Liebe im Ernstfall“ in unserem Literaturkreis zum Vorschlag kam, hatte ich nichts dagegen einzuwenden. Der Titel erinnerte mich zwar an einen ZDF-Fernsehfilm, die Platzierung des Romans auf der SWR-Bestenliste sprach jedoch gegen meine Einschätzung. Leider haben sich die positiven Erwartungen nicht eingelöst. Anders als viele Kritiker in überschwänglichen Rezensionen betonen, verspüre ich keine Begeisterung. Auch meine Mitstreiterinnen im Literaturkreis fühlen sich durch Kriens Roman an die Frauenliteratur der Achtziger erinnert.
Damals legten die Verlage eigene Reihen zur Rolle der Frau in der Gesellschaft auf, so „Neue Frau“ bei rororo, und Buchhandlungen machten ganze Regalmeter frei. Dort stand dann Beziehungs-Emanzipations-Selbstfindungsprosa, wie Judith Jannbergs programmatischer Titel „Ich bin ich“, an den mich „Die Liebe im Ernstfall“ nun gut vierzig Jahre später erinnert. Man sollte meinen, daß sich in der Zwischenzeit die Rolle der Frau in der Gesellschaft gewandelt hat.
In unserer Diskussionsrunde blieben leider ausgerechnet bei diesem Termin die Männer fern. Wenn ich nicht wüsste, daß sie in Urlaub waren, hätte ich vermutet, daß ihre Lust auf derartige Lektüre einfach zu gering war. Umso mehr erstaunt mich die positive Aufnahme die „Die Liebe im Ernstfall“, der Roman einer mitteljungen Autorin, bei mittelalten Männern der Literaturmedien auslöst. Als Beispiel sei Denis Scheck im Lesenswert-Quartett genannt. Doch bevor ich zu den ebenfalls dort geäußerten vehementen Einwänden von Insa Wilke und Maike Albath komme, sei kurz der Inhalt des Romans umrissen.
„Die Liebe im Ernstfall“ besteht aus aneinandergereihten Geschichten von fünf Frauen. Paula, Judith, Brida, Malika und Jorinde verbinden neben ihren kapriziösen Vornamen mal mehr mal weniger lose Bande. Allen gemeinsam ist der Hang zu unzuverlässigen Männern und schweren Schicksalsschlägen. Da ist Paula, die nach ihrem Exmann Ludger mit dem neuen Geliebten Wenzel die einzige positive männliche Figur zugeteilt bekommt. Zuvor durchleidet sie den Tod ihres Kindes und eine fast tödliche verlaufende Krankheit. Es folgt die Geschichte ihrer Freundin Judith, der selbstbestimmten Ärztin. Sie ist sexuell auf der Suche, damit der Leser dies gleich kapiert, wird schon im ersten Absatz auf „Fifty Shades of Grey“ verwiesen. Auch diese schlagfertige Frau kommt nicht unbeschadet davon. Brida, die Schriftstellerin der dritten Lebens- oder besser Leidensgeschichte, ringt mit den Überforderungen der Mutterschaft und ihrer dysfunktionalen Beziehung zu Götz. Der hat eine Zweitfrau, Malika, die uns in der vierten und fünften Geschichte begegnet. Mit Jorinde bildet sie ein gegensätzliches Schwesternpaar, das sich trotz oder wegen väterlicher Ungerechtigkeit schließlich in gemeinsamer Solidarität emanzipiert.
Diese Ernst- und Einzelfälle werden klischeehaft erzählt. Bleiben wir bei der ersten Geschichte, wo die hübsche, unbeschwerte Buchhändlerin Paula mit Ludger, dem erfolgreichen Architekten, zusammenkommt. Paula wird schwanger, das Paar bindet sich, obwohl es wenig gemein hat. Ludger entwickelt sich zu einem rigiden Öko-Gutmenschen. Neben dem gemeinsamen Trauma, dem Tod der Tochter, für den der Impfgegner seiner Frau die Schuld gibt, teilt Krien ihnen weiteres persönliches Leid zu. Bei Paula ist es die lebensbedrohliche Krankheit, bei Ludger der frühe Unfalltod seiner Eltern. Solche Anhäufungen von Schicksalsschlägen mag es geben, aber will man auch davon lesen? Selbst für das ZDF-Unterhaltungsprogramm wäre dies zu viel Pathos.
Die vielen Mitleids-Möglichkeiten lesen sich frei von Stil- und Sprachbarrieren flott herunter und doch stellt sich Ödnis ein. Schuld daran sind Formulierungen wie, sie hatte „sich oft gefragt, wann das Ende seinen Anfang genommen hatte“ oder „sie wollte nicht sterben, aber leben konnte sie nicht“. Das Verhalten der Figuren ist klischeehaft, „als Paula sah, daß es ein Mädchen war, sank sie lächelnd zurück auf das Kissen“, oder dümmlich selbstbezogen „in der Hoffnung auf eine Meldung, die schlimmer war als ihr eigenes Leben, lauschte sie den Nachrichten“. In einer seltsamen Sprache für Sex trifft die „unnennbare Stelle seines Körpers“ auf eine „warme Freundlichkeit, die ihn empfangen sollte“. Dachte man noch eben, man läse im Wartezimmer die „Brigitte“, ist man inzwischen schon beim Arztroman gelandet.
Nach dem Elend von Paula erfreut sich die Leserin an der forschen Judith und wird auch hier bald in die genannten Gefilde geworfen. Entjungfert vom Sportlehrer wird Judith Geliebte ihres Professors und kauft sich nach dem Facharztabschluss einen Wallach, den sie Herkules nennt. Nein, zur Sodomie kommt es nicht, aber zu einer Begegnung mit einem Herrn, der die Peitsche braucht.
Auch die folgenden Frauengeschichten, die im Übrigen als weitere Gemeinsamkeit den Handlungsort Leipzig aufweisen, spielen so Sigrid Löffler in der SWR-Bestenrunde, „im Milieu grün angehauchter Spießigkeit“, wo Frauen leiden und Männer bei Schwierigkeiten verschwinden. Demgegenüber stehen positive Kommentare, wie der von Anja Maier, die in der TAZ die authentische Darstellung der „Mentalität von selbstständigen Frauen im Osten“ lobt, aber auch einschränkende, wie der von Burkhard Müller in der SZ „klingt abgedroschen, wird aber einfühlsam und zurückgenommen erzählt“.
Entschieden Widerspruch übten Insa Wilke und Maike Albath im Lesenswert-Quartett. Sie ließen Schecks Euphorie, „Die Liebe im Ernstfall“ sei „soziologisch scharf beobachtet“ und „klug erzählt in einer voraussetzungslosen Sprache“ nicht unwidersprochen. Albath bezeichnete die Sprache als Grundproblem, diese sei „viel zu schlicht“ und „kippt oft ins Klischee“. Nicht nur die Sprache, so Insa Wilke, auch die Psychologie des Romans sei „ähnlich einfach gestrickt“. Man könne sich in ihn legen, wie in eine Hängematte, aber die Tiefgründigkeit sei nur vorgegaukelt. Dem schließe ich mich an.
Huch. Vielen Dank für diesen Warnhinweis.
Das hätte ich zwar trotz Diogenes-Bonus kaum gekauft, weil es mir zu frauenlastig wirkt, aber man weiß ja nie. Wenn es das mal bei Jokers gibt oder so.
Ehrlich gesagt, allein diese Häufung von speziellen Vornamen würde mich schon zur Verzweiflung bringen.