Jan Peter Bremer sucht in „Der amerikanische Investor“ nach dem perfekten ersten Satz
Ein Autor sitzt am Schreibtisch und imaginiert den ersten Satz. Auf den wartet er schon lange vergeblich. Ein typischer Fall von Schreibhemmung, so scheint es, die sich weder durch den treuen Blick eines Hundes noch durch Ablenkung durchbrechen lässt. Der erste Satz, dessen einfallsreiche Wortgewandtheit zum Motivator für die restlichen Sätze und Seiten des Romans werden soll, kommt dem Dichter nicht in den Sinn. Vielleicht weil der Sinn dieses Erzählers, der wie Bremer nicht nur Bücher schreibt, sondern mit Frau, Kindern und Hund in einer Berliner Wohnung lebt, von privaten Problemen besetzt ist. Am dringlichsten von dem Problem mit seiner Wohnung, die durch die Sanierungsmaßnahmen eines Immobilieninvestors wenigstens in Teilen von Einsturz gefährdet ist. Dies ist die wichtigste Sache, um die sich der Kreative auf Drängen seiner Frau zu kümmern hat. Besuche bei der Mieterberatung, Gespräche mit Arbeitern und Hausmeistern, Erwägung eines Umzuges, Auskundschaften eventueller Wohnoptionen, dies alles führt zu keinem Ziel. Es führt allerdings zu der Idee, diesem Investor einen unmissverständlichen, alles klärenden Brief zu schreiben. Der Erzähler sitzt also wieder mit seinem Hund am Schreibtisch und wartet auf den guten ersten Satz.
Dies ist in aller Kürze der Plot des Romans und er ist nicht sonderlich aufregend, wenn man nicht ebenfalls in Berlin von einem Miethai bedroht wird. Interessant ist aber die Machart der Geschichte. Die Suche nach dem ersten Satz führt zu Reflektionen, die nach kunstvollen Volten stets zu ihrem Ausgangspunkt zurückkehren. Zu Hund und Herrn am Schreibtisch und dem großen „Was wäre wenn“. Was wäre zum Beispiel, wenn der Investor, der der Leserin als weltferner Bewohner seines Privatjets dargestellt wird und ihr als roter Plastikkopf im roten Plastikflieger vom Cover entgegen leuchtet, dem Erzähler höchstselbst einen Brief schreiben würde? Der Investor entwickelt sich zur Bedrohung, die die Kinder verführt und das Familienglück gefährdet. Aber dieses oder eher das Eheglück scheint sowieso so eine Sache zu sein. Jan Peter Bremer lässt seinen Schriftsteller viel über dessen Lebensumstände grübeln. Geschieht dies in zunächst sehr unterhaltsamer Manier, so dreht er sich dabei doch auch im Kreis. Zum Glück dauert diese Dokumentation des Prokrastinierens nur vollkommen ausreichende 156 Seiten.
Für einen Auszug aus diesem im Berlin Verlag erschienenen Roman erhielt Bremer den Alfred-Döblin-Preis 2011. In einem Aspekte-Interview, das von der erstaunlichen Parallelität des wahren Lebens zu diesem Buches zeugt, erzählt der Schriftsteller von seinem Wohnen in Berlin.