Das Glück beim Betrachten der Biber

Kerstin Ekman erkundet das Hundeherz


„Lag er lan­ge Zeit still, sah er manch­mal ei­nen im Son­nen­licht glän­zen­den Bi­ber­schä­del auf ge­ra­dem Kurs durchs Was­ser. Er folg­te ihm im­mer mit dem Blick, blieb aber gleich­mü­tig lie­gen (…) Die Bi­ber und er hat­ten nichts mit­ein­an­der zu schaf­fen. Doch sie wa­ren da, wa­ren in der­sel­ben Abend­son­ne, am sel­ben schwar­zen Was­ser, das im Son­nen­licht glüh­te. Er hat­te ih­re Ge­räu­sche gern, ih­re Gesellschaft.“

Bei die­sem Buch ge­schah es zum ers­ten Mal, ich las den Schluss zu­erst. Ich muss­te si­cher sein, daß die Ge­schich­te gut aus­geht für den Wel­pen, der sich im Wald ver­irr­te. Erst dann konn­te ich ge­mein­sam mit ihm die kal­te Um­ge­bung er­kun­den, mich un­ter ei­ner Wur­zel schla­fen le­gen, eis­kal­te Frost­näch­te und boh­ren­den Hun­ger überstehen.

Sich sprei­zen­de Äs­te, Pfo­ten und Kral­len. Sich du­cken­de Baum­stümp­fe mit Rü­cken­zot­teln und Oh­ren. Schla­fen­de Stein­rü­cken. Schla­fen, an feuch­ten Flech­ten ge­schmiegt, zu Stein ge­fro­ren und schwin­de­lig. Irr­lich­tern­de Punk­te vor Au­gen. Hun­ger­schmerz und be­täu­ben­de Angst. Weg­schla­fen. In die Son­ne schla­fen. An Son­nen­zit­zen sau­gen. Weg­wär­men. Sau­gen. Wär­me saugen.“

Ich er­kun­de­te die Na­tur durch die Sin­ne ei­nes Hun­des. Er riecht, stö­bert auf, rät­selt und lernt. Kers­tin Ek­man fin­det für al­le die­se Emp­fin­dun­gen und Re­ak­tio­nen ei­ne poe­ti­sche Spra­che, die ganz na­he ist an den Ge­räu­schen, Düf­ten und Far­ben der Na­tur. Fast sind es Hun­de­wor­te, Hun­de­ge­dan­ken, ein Hun­de­be­wusst­sein, das uns die Re­ak­tio­nen die­ses Tie­res nä­her bringen.

Sei­ne Pfo­ten fin­gen zu lau­fen an. Auf der glat­ten Flä­che drau­ßen wur­de sein Kör­per leicht. Er ver­fiel in ei­nen schnel­len, rhyth­mi­schen Trab und nach ei­ner Wei­le ins Ren­nen. Er rann­te aus rei­nem Spaß an der Freu­de. In sei­nem Kör­per san­gen der Mond­schein, die Käl­te und die Ge­schwin­dig­keit. Es gab kei­ne Gren­ze, kei­nen Wald, kein Ufer.“

Doch wir wis­sen, es ist ei­ne Er­zäh­le­rin, die sich in das Ge­schöpf hin­ein­ver­setzt. Als Haus­tier ge­bo­ren ist es durch Un­acht­sam­keit in die Wald­ein­sam­keit ge­ra­ten und nun auf sich al­lei­ne ge­stellt. Der Wel­pe ent­deckt schnell, wo er trin­ken kann und was den Hun­ger stillt. Ein Elch­ka­da­ver si­chert ihm das Über­le­ben. Im Ver­lauf ei­nes Jah­res lernt er das Wich­tigs­te, wann er sich weg zu du­cken hat und wann er sich be­haup­ten muss. Be­vor der Win­ter wie­der ein­bricht kommt es je­doch zu ei­ner Be­geg­nung, die aus dem ver­wil­der­ten Grau­en wie­der ei­nen Men­schen­hund macht.

Der Mann gab ein Ge­räusch von sich, er at­me­te aus. Der Graue be­weg­te er­neut den Schwanz. Er hielt den Kopf schräg und hat­te die Oh­ren ge­senkt. Sie la­gen jetzt ein­ge­schla­gen zu bei­den Sei­ten der fla­chen Stirn. Er wa­ckel­te mit dem Kör­per und be­weg­te sich im Halb­kreis auf den Mann zu, so­dass er sich ihm nä­her­te und zu­gleich auf Ab­stand blieb. Ob­wohl un­ge­übt, wirk­te er un­ver­hoh­len freund­lich. Das ge­sträub­te Rü­cken­haar hat­te sich ge­legt, sei­ne Wür­de und Fas­sung hat­te er aber nicht ver­lo­ren. Der halb ent­roll­te Schwanz­krin­gel be­weg­te sich.“

Trotz die­ses gu­ten En­des fin­det sich in kei­ner Zei­le Kitsch. Kers­tin Ek­man fühlt sich in ih­ren Hel­den sehr ge­nau ein und über­setzt dies in ih­re Wald­poe­sie. In­dem man liest taucht man tief ein in das grü­ne Ge­knurpschel, Ge­zie­pe und Ge­flat­ter. Lang­sam liest man die Sät­ze, vor­sich­tig um kein Ge­räusch zu ma­chen und zu stö­ren. Gleich­zei­tig wird man von ei­nem un­ge­heu­ren Sog er­fasst, atem­los, hechelnd.

Ein Buch, das ei­nem Lust auf den Wald macht, auf ei­nen Hund und auf die poe­ti­sche Spra­che die­ser schwe­di­schen Au­torin, die Hed­wig M. Bin­der kunst­voll ins Deut­sche über­tra­gen hat.