Über das Packen von Koffern, das Potential von Staubmäusen und das Sortieren von Büchern

Jens Sparschuh warnt „Im Kasten” vor den Gefahren der Ordnung

Die Welt des Han­nes Fe­lix, der für die op­ti­ma­le Ord­nung al­les Seins lebt, wird vom Cha­os be­droht. Sei­ne Frau Mo­ni­ka ist im Be­griff ihn zu ver­las­sen. Er steht vor ei­nem Scher­ben­hau­fen, doch fällt ihm nichts Bes­se­res ein als ih­re in Ra­ge in den Kof­fer ge­wor­fe­ne Klei­dung säu­ber­lich neu zu sor­tie­ren. Wäh­rend er ein Kof­fer­ver­zeich­nis plant, brät sich Mo­ni­ka noch ein Ei und ist weg. Wie war es nur so­weit ge­kom­men? Nicht nur pri­va­te Kon­flik­te löst Han­nes mit ei­nem Fens­ter­blick auf den ge­re­gel­ten Ver­kehr. Auch be­ruf­li­chen Be­dro­hun­gen schaut er lie­ber nicht ins Au­ge. Die­se er­war­ten ihn täg­lich in ei­ner Fir­ma, die sich um die Ein­la­ge­rung von vor­erst nicht Be­nö­tig­tem küm­mert. Schein­bar ein idea­les Ar­beits­mi­lieu für ei­nen pe­ni­blen Men­schen, doch Han­nes Fe­lix macht mit sei­nem Ord­nungs­wahn die an­de­ren und vor al­lem sich selbst verrückt.

Wenn von Ver­rückt­sein die Re­de ist hat man eher Cha­os als Ord­nung im Sinn. Jens Spar­schuh je­doch lässt sei­nen Han­nes Fe­lix an der Ord­nung zu Grun­de ge­hen. Für die­sen Hans im Glück darf nichts ver­rückt sein. Al­les wird or­dent­lich sor­tiert, ka­ta­lo­gi­siert, in­ven­ta­ri­siert, ein­ge­tü­tet. Am bes­ten schon vor Ge­brauch. Was liegt da fer­ner, als all je­nes über­flüs­si­ge Ein­rich­tungs­ge­rät und Schwe­den­ge­mö­bel be­vor es beim Zu­sam­men­bau zer­bricht oder in der nächs­ten Sai­son in­te­ri­eur­mä­ßig pas­sé ist di­rekt ein­zu­la­gern. Von IKEA zu NOAH. Letz­te­res ist das Kür­zel für Neue­re Op­ti­mier­te Aus­la­ge­rungs- und Haus­halts­op­ti­mie­rungs­sys­te­me, ers­te­res lässt der Au­tor, der sonst ger­ne ka­lau­ert, ein­fach so stehen.

Doch be­vor ich hier von mei­ner ei­ge­nen Ab­nei­gung ge­gen­über Pe­ni­bi­li­tät er­zäh­le, von mei­ner im Kel­ler an­ge­sie­del­ten Vor­höl­le je­ner Ge­gen­stän­de, de­nen noch ei­ne Gna­den­frist ge­währt bleibt, be­vor sie auf dem Trot­toir ih­ren Fähr­mann er­war­ten, be­vor ich ei­ne gu­te Ver­si­on des von Han­nes Fe­lix gna­den­los ver­hunz­ten und da­mit er­mor­de­ten Wit­zes, der vor Zei­ten in der Em­ma zu le­sen war, er­zäh­le, möch­te ich trotz des häss­li­chen Schutz­um­schlags und trotz manch mü­der Ka­lau­er die­sem Ro­man empfehlen.

Wem? Al­len Ord­nungs­fa­na­ti­kern und be­son­ders al­len, die von sol­chen ge­plagt wer­den. All je­nen, die ger­ne mal ei­nen An­ge­stell­ten­ro­man le­sen, auch wenn die­ser nicht ganz an die Gü­te Gen­a­zi­nos her­an­reicht. Al­len, die ein­mal Öd­nis und Skur­ri­li­tät ei­ner Re­gis­tra­tur ken­nen ler­nen durf­ten und trotzt die­ser Tä­tig­keit nicht ver­zwei­felt sind. Ich ha­be es einst ei­ni­ge Wo­chen in den Se­mes­ter­fe­ri­en in ei­ner der­ar­ti­gen Ein­rich­tung aus­hal­ten müs­sen und ha­be meh­re­re Fe­lix und Fe­li­ci­tas ge­sich­tet. Fein säu­ber­lich ge­locht, ein­sor­tiert und ab­ge­hef­tet zwi­schen A und Z in den Hän­ge­re­gis­tern der Blech­schrän­ke. Kei­ner wur­de in ei­nem är­mel­lo­sen An­zug ab­ge­führt. Die meis­ten wer­den heu­te wohl Schrau­ben in Werk­zeug­käs­ten sor­tie­ren oder Woll­knäu­el nach Far­ben und Di­cke. Und viel­leicht schreibt man­cher gar ei­nen Ro­man? Viel­leicht das von Spar­schuh zi­tier­te Bre­vier ab­sei­ti­ger Weis­hei­ten „Wer los­lässt, hat bei­de Hän­de frei“.

Jens Spar­schuh war mit die­sem Ti­tel für den dies­jäh­ri­gen Leip­zi­ger Buch­preis nominiert.

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