Thomas Lang erzählt in „Jim” von Männerleiden
Halten Sie einen Affen im Garten? Wohl kaum. Wenn nicht die Größe Ihres Garten dagegen spricht, so doch eindeutig jede deutsche Klein- und Großgartenverordnung.
Thomas Lang hingegen lässt genau das geschehen in seiner Erzählung „Jim“. Jim ist ein Orang Utan, von Tierschützern aus unwürdiger Käfig-existenz befreit darf er bis zum Rücktransport in seine Heimat im Garten von Anna Opitz verweilen.
Deren Ehemann Frank trägt nicht nur den Namen eines berühmten Dichters, er möchte auch selbst einer sein. Während seine Frau dem Gelderwerb nachgeht bleibt er zu Hause und wartet auf die Inspiration. Seine Bemühungen einen Auftragsartikel fertigzustellen scheitern jedoch an seiner momentanen Lebensdisposition, dem Leid. Besser den Leiden, denn Opitz leidet an so vielem, an seiner nachlassenden Kraft, Schaffenskraft, Körperkraft, Anziehungskraft, und ganz besonders an dem Schwund seiner sexuellen Kraft.
Der Auslöser dieser Potenzproblematik ist ein Phantomschmerz, der seine rechte Hand unbrauchbar werden lässt. In diesem desolaten Zustand setzt ihm Anna den Affen in den Garten, der wie eine Verhöhnung seiner Mängel wirkt.
Jim besitzt nicht nur ungeheure Körperkraft, vor der sich Opitz berechtigterweise ängstigt. Der Affe ist sogar kreativ, er malt abstrakt. Anna vergöttert dieses Wesen und behandelt Jim wie einen Kindersatz. Oder wie einen Liebhaber, denkt Opitz eifersüchtig. Er erinnert sich gelesen zu haben, daß junge Orang Utans die Weibchen oft zum Sex zwingen. Bisher stochert Jim jedoch nur mit Stöckchen in der Knopfleiste von Annas Bluse.
Opitz will keine Frau zum Sex zwingen und er könnte es auch gar nicht, mit einer gefühlsirritierten Hand ist er lediglich in der Lage Pornoseiten anzuklicken. Um wie viel vitaler erscheint da ein weiterer Konkurrent, Tobias Mundt. Der Freund ist so kreativ und erfolgreich wie Opitz gerne sein würde, zwar im gleichen Alter, um die Fünfzig, aber ein „dynamisches Arschloch“ sportlich und fit, nicht lamentierend. Ein eitler kulturschaffender Vielreder, den Opitz seit einem gemeinsamen Urlaub in Tarquinia als Beziehungsbedroher betrachtet.
Als Beweis für das testosterone Potential, sowohl des Affen als auch des Kulturquatschkopfs, reicht Opitz ein Vergleich von Fingerlängen. Als Anna ein Gartenbett bei Manufactum (sic!) kauft ist er alarmiert.
Eine ironische Erzählung über das Kulturbürgertum, Lohas, Tierschützer und Schriftsteller inbegriffen, die amüsant zu lesen ist. Allerdings sind die Gedanken des Protagonisten derart sexuell besetzt, daß man den von Christopher Schmidt geprägten Begriff des „Samenstaugewinsels“ herbei zitieren möchte. In letzter Zeit werden in vielen Büchern, ob pubertär oder potenzlabil, Pornoseiten aufgerufen. Ein Buch also für Männer, zum Fünfzehn- oder Fünfzigjährigen darzureichen.