Die Geschichte vom verschwundenen Robert

Der neuaufgelegte Roman „Der Tag, an dem ich meinen toten Mann traf” von Andrea Paluch und Robert Habeck erweist sich im Rückblick als geradezu hellsichtig

Ei­nes Abends frag­te Ro­bert mich, wel­che drei Wün­sche ich aus­schla­gen wür­de, wenn ich wel­che frei hät­te. Aus der Dun­kel­heit pras­sel­te der Re­gen auf die Dach­fens­ter. Mei­ne Au­gen trän­ten, so mü­de war ich. Ich ant­wor­te­te, dass der Tag zwei Stun­den län­ger dau­ert, dass du mir sol­che Fra­gen stellst und dass al­les an­ders wird.“

Ein gu­ter An­fang ver­führt zum Wei­ter­le­sen. Das gilt auch für die­se ers­ten Sät­ze, die das Bild ei­ner glück­li­chen Be­zie­hung leicht ver­klau­su­liert und mit Hu­mor for­mu­lie­ren. Sie stei­gern die Er­war­tungs­hal­tung, doch wird sie auch erfüllt?

Die Neu­gier­de, wel­che Art von fik­tio­na­ler Li­te­ra­tur der am­tie­ren­de Wirt­schafts-Mi­nis­ter ver­fass­te, ließ mich zu die­sem Buch grei­fen. Ro­bert Ha­beck hat be­reits ei­ni­ge Ro­ma­ne ge­schrie­ben, die meis­ten ge­mein­sam mit An­drea Pa­luch, sei­ner Frau. Der vor­lie­gen­de mit dem ver­hei­ßungs­vol­len Ti­tel „Der Tag, an dem ich mei­nen to­ten Mann traf“ er­schien erst­mals im Jahr 2005 und wur­de drei Jah­re spä­ter ver­filmt. Kaum ge­schmä­lert wur­de mein In­ter­es­se durch die Tat­sa­che, daß der „to­te Mann“, der im Ro­man auf un­ter­schied­li­che Wei­sen äu­ßerst vi­tal wirkt, aus­ge­rech­net den Na­men „Ro­bert“ trägt. Hu­mor „Die Ge­schich­te vom ver­schwun­de­nen Ro­bert“ weiterlesen

Le secret de maman

Hélène Grémillon enthüllt in „Das geheime Prinzip der Liebe” Müttergeheimnisse

Leih­mut­ter­schaft ist kein mo­der­nes Phä­no­men. Vor der Ent­wick­lung der In-Vi­tro-Tech­nik fand die Be­fruch­tung auf na­tür­li­chem We­ge statt. Die Leih­mut­ter war iden­tisch mit der leib­li­chen Mut­ter, le­dig­lich der Mann des Kin­der­wunsch­paa­res gab sei­ne Erb­an­la­gen wei­ter. Da der aus­tra­gen­den Frau ih­re Mü­hen gut be­zahlt wur­den, fan­den sich für der­ar­ti­ge Ab­kom­men vor al­lem An­ge­hö­ri­ge der un­te­ren Schich­ten bereit.

Fried­rich Heb­bel the­ma­ti­siert ei­nen sol­chen Vor­gang und des­sen Kon­flikt in sei­nem 1857 ent­stan­de­nen dra­ma­ti­schen Ge­dicht „Mut­ter und Kind“. Hé­lè­ne Gré­mil­lon, die Au­torin von „Das ge­hei­me Prin­zip der Lie­be“, ver­legt ihn ins Frank­reich des Jah­res 1939.

Wie der deut­sche Ti­tel des Ro­mans in größ­ter Klar­heit sagt, han­delt er vor al­lem von der Lie­be. Doch nicht nur von der manch­mal gro­ßen und oft nicht ein­zi­gen zwi­schen ei­nem Paar, son­dern „Le se­cret de ma­man“ weiterlesen

Noch einen Tag und eine Nacht — Wortschatzbildung mit Fabio Volo

Il giorno in più” — Letteratura gallina di un galletto

Ob die­ses Buch mit dem deut­schen Ti­tel Noch ein Tag und ei­ne Nacht hier auf mei­ner Sei­te ei­nen Platz fin­den wird, ha­be ich mich lan­ge ge­fragt. Es ist zwar kein Ro­man­zo ro­sa, ein ita­lie­ni­scher Heft­chen­ro­man, aber un­be­streit­bar ein Ro­man­zo sentimentale.

Gi­a­co­mo, Tu­ri­ner, Sin­gle um die 30, sieht ei­nes Mor­gens ei­ne Un­be­kann­te in der S‑Bahn. Er ist fas­zi­niert, sie tau­schen Bli­cke und ein Lä­cheln. Zu ei­nem Kon­takt kommt es je­doch nicht. Gi­a­co­mo, der sonst schnell ei­nen Spruch für ei­ne Frau fin­det, ist sich selbst ein Rät­sel. Auch die auf­mun­tern­den Rat­schlä­ge sei­ner Freun­din Sil­via er­mu­ti­gen ihn nicht. So lebt er über Wo­chen für die­ses stum­me Ren­dez­vous am Mor­gen, das nur ei­ni­ge Hal­te­stel­len dau­ert. Ei­nes Ta­ges je­doch spricht Sie ihn an, Mi­che­la. Und bei ei­nem Kaf­fee in der Bar, stellt sich her­aus, daß die­ses ers­te Tref­fen wohl auch das letz­te blei­ben wird. Mi­che­la ver­lässt die Stadt, sie hat ei­ne neue Ar­beits­stel­le in New York gefunden.

Was sich wie der kit­schi­ge und ba­na­le Plot ei­ner Sto­ria d’Amore an­hört, er­zählt Fa­bio Vo­lo auf un­ge­wöhn­li­che Wei­se und durch­aus span­nend. So kam ich rasch ei­ni­ge Sei­ten wei­ter und zu der Er­kennt­nis, daß das Buch mehr zu bie­ten hat. Gi­a­co­mo er­weist sich als Mann, der über sich selbst nach­den­ken und über Ge­füh­le spre­chen kann. Sonst wä­re er auch kaum mit Sil­via be­freun­det, ei­ner eins­ti­gen Af­fä­re, die sich aber bald in ei­ne bes­te Freun­din ver­wan­del­te. Die Bei­den be­ra­ten sich ge­gen­sei­tig in ih­ren Lie­bes­que­re­len, was ne­ben al­lem Wah­ren und All­ge­mei­nem auch amü­san­te Mo­men­te hat. Erns­ter und me­lan­cho­li­scher wir­ken Gi­a­co­mos Er­in­ne­run­gen an die schwie­ri­ge Be­zie­hung sei­ner El­tern, und eben­so die Scham über ei­nen klei­nen Be­trug un­ter Kin­dern. Wir wä­ren nicht in Ita­li­en, gä­be es nicht auch ei­ne Non­na. Von die­ser ge­lieb­ten Groß­mutter, de­ren Bei­ne stär­ke­re prä­ko­gni­ti­ve Fä­hig­kei­ten ha­ben als die Ma­don­na, hat Gi­a­co­mo Ei­ni­ges zu erzählen.

Wie Gi­a­co­mo und Mi­che­la ihr Ren­dez­vous fort­set­zen, sei hier nicht ver­ra­ten. Nur so­viel, wer plant sich in ita­lie­ni­sche Lie­bes­aben­teu­er zu stür­zen, ist am En­de des Bu­ches für al­le Si­tua­tio­nen sprach­lich präpariert.

Ge­dacht als leich­te Lek­tü­re, um mein Ita­lie­nisch auf­zu­po­lie­ren, er­wies sich Fa­bio Vo­los Ro­man­zo als gut les­ba­re Un­ter­hal­tung. Und zu­dem als Lehr­stück in kul­tu­rel­ler Dif­fe­renz, ist mir in mei­nem Le­ben als Frau und in mei­nem Le­ben als Le­se­rin doch sel­ten je­mand be­geg­net, der so ein­fühl­sam sei­ne in­ne­ren Vor­gän­ge schil­dert oh­ne sei­ne viel­fäl­ti­gen Un­zu­läng­lich­kei­ten zu ver­ber­gen. Die Sto­ria d’amore ist nicht glatt und ober­fläch­lich, son­dern wird durch oft skur­ri­le An­sich­ten und Be­ob­ach­tung ge­bro­chen. Manch­mal gibt es gen­re­be­dingt na­tür­lich auch ein we­nig Kitsch und Klischee.

Aber al­len, die ei­ne ge­fühl­vol­le Lie­bes­ge­schich­te aus männ­li­cher Sicht le­sen wol­len, sei die­ser Ro­man emp­foh­len. Al­len Ita­lie­nischa­ma­teu­ren sowieso.

Wer hin­ein­schnup­pern möch­te, le­se das ers­te Ka­pi­tel. Wer kei­ne Lust zu le­sen hat, war­te auf den Film, der in Ita­li­en im De­zem­ber ins Ki­no kommt. Der Au­tor spielt üb­ri­gens die Hauptrolle.