Noch einen Tag und eine Nacht — Wortschatzbildung mit Fabio Volo

Il giorno in più” — Letteratura gallina di un galletto

Ob die­ses Buch mit dem deut­schen Ti­tel Noch ein Tag und ei­ne Nacht hier auf mei­ner Sei­te ei­nen Platz fin­den wird, ha­be ich mich lan­ge ge­fragt. Es ist zwar kein Ro­man­zo ro­sa, ein ita­lie­ni­scher Heft­chen­ro­man, aber un­be­streit­bar ein Ro­man­zo sentimentale.

Gi­a­co­mo, Tu­ri­ner, Sin­gle um die 30, sieht ei­nes Mor­gens ei­ne Un­be­kann­te in der S‑Bahn. Er ist fas­zi­niert, sie tau­schen Bli­cke und ein Lä­cheln. Zu ei­nem Kon­takt kommt es je­doch nicht. Gi­a­co­mo, der sonst schnell ei­nen Spruch für ei­ne Frau fin­det, ist sich selbst ein Rät­sel. Auch die auf­mun­tern­den Rat­schlä­ge sei­ner Freun­din Sil­via er­mu­ti­gen ihn nicht. So lebt er über Wo­chen für die­ses stum­me Ren­dez­vous am Mor­gen, das nur ei­ni­ge Hal­te­stel­len dau­ert. Ei­nes Ta­ges je­doch spricht Sie ihn an, Mi­che­la. Und bei ei­nem Kaf­fee in der Bar, stellt sich her­aus, daß die­ses ers­te Tref­fen wohl auch das letz­te blei­ben wird. Mi­che­la ver­lässt die Stadt, sie hat ei­ne neue Ar­beits­stel­le in New York gefunden.

Was sich wie der kit­schi­ge und ba­na­le Plot ei­ner Sto­ria d’Amore an­hört, er­zählt Fa­bio Vo­lo auf un­ge­wöhn­li­che Wei­se und durch­aus span­nend. So kam ich rasch ei­ni­ge Sei­ten wei­ter und zu der Er­kennt­nis, daß das Buch mehr zu bie­ten hat. Gi­a­co­mo er­weist sich als Mann, der über sich selbst nach­den­ken und über Ge­füh­le spre­chen kann. Sonst wä­re er auch kaum mit Sil­via be­freun­det, ei­ner eins­ti­gen Af­fä­re, die sich aber bald in ei­ne bes­te Freun­din ver­wan­del­te. Die Bei­den be­ra­ten sich ge­gen­sei­tig in ih­ren Lie­bes­que­re­len, was ne­ben al­lem Wah­ren und All­ge­mei­nem auch amü­san­te Mo­men­te hat. Erns­ter und me­lan­cho­li­scher wir­ken Gi­a­co­mos Er­in­ne­run­gen an die schwie­ri­ge Be­zie­hung sei­ner El­tern, und eben­so die Scham über ei­nen klei­nen Be­trug un­ter Kin­dern. Wir wä­ren nicht in Ita­li­en, gä­be es nicht auch ei­ne Non­na. Von die­ser ge­lieb­ten Groß­mutter, de­ren Bei­ne stär­ke­re prä­ko­gni­ti­ve Fä­hig­kei­ten ha­ben als die Ma­don­na, hat Gi­a­co­mo Ei­ni­ges zu erzählen.

Wie Gi­a­co­mo und Mi­che­la ihr Ren­dez­vous fort­set­zen, sei hier nicht ver­ra­ten. Nur so­viel, wer plant sich in ita­lie­ni­sche Lie­bes­aben­teu­er zu stür­zen, ist am En­de des Bu­ches für al­le Si­tua­tio­nen sprach­lich präpariert.

Ge­dacht als leich­te Lek­tü­re, um mein Ita­lie­nisch auf­zu­po­lie­ren, er­wies sich Fa­bio Vo­los Ro­man­zo als gut les­ba­re Un­ter­hal­tung. Und zu­dem als Lehr­stück in kul­tu­rel­ler Dif­fe­renz, ist mir in mei­nem Le­ben als Frau und in mei­nem Le­ben als Le­se­rin doch sel­ten je­mand be­geg­net, der so ein­fühl­sam sei­ne in­ne­ren Vor­gän­ge schil­dert oh­ne sei­ne viel­fäl­ti­gen Un­zu­läng­lich­kei­ten zu ver­ber­gen. Die Sto­ria d’amore ist nicht glatt und ober­fläch­lich, son­dern wird durch oft skur­ri­le An­sich­ten und Be­ob­ach­tung ge­bro­chen. Manch­mal gibt es gen­re­be­dingt na­tür­lich auch ein we­nig Kitsch und Klischee.

Aber al­len, die ei­ne ge­fühl­vol­le Lie­bes­ge­schich­te aus männ­li­cher Sicht le­sen wol­len, sei die­ser Ro­man emp­foh­len. Al­len Ita­lie­nischa­ma­teu­ren sowieso.

Wer hin­ein­schnup­pern möch­te, le­se das ers­te Ka­pi­tel. Wer kei­ne Lust zu le­sen hat, war­te auf den Film, der in Ita­li­en im De­zem­ber ins Ki­no kommt. Der Au­tor spielt üb­ri­gens die Hauptrolle.