Nachts werden wir erwachsen – Ben Brooks neuer Roman über die Bewältigungsstrategien der heutigen Jugend
„Ich höre, dass Die Antwoord im Wohnzimmer läuft. Die Antwoord ist Rap aus Südafrika. Sie sagen Sachen wie „next-level shit“. In der Berufsberatung wollte ich das in meinem „Erwartungen für die Zukunft“-Fragebogen schreiben. Tenaya sagte, wenn ich das täte, würde die Berufsberaterin denken, ich hätte LSD genommen, und Mum anrufen. Ich nickte und schrieb stattdessen „Moderator beim Kinderfernsehn“.
Ist dies nun die britische Antwort auf „ Axolotl Roadkill“, oder besser auf „Strobo“, oder sollte man den vierten Roman des 19-jährigen Briten Ben Brooks als Nachfolger von „Der Fänger im Roggen“ betrachten? Auf Houlden Caulfield bezieht sich der Erzähler Jasper selbst am Ende des Romans. Doch zunächst schildert er Tage und vor allem Nächte, in denen er die Schwierigkeiten der Pubertät auf Partys weg feiern will. Zahlreiche Betäubungsmittel und sexuelle Kontakte sind die Bestandteile eines sich Suchens und noch lange nicht Findens. Doch diese Erfahrungen der Nacht fördern die Erkenntnis eher als das Leben am Tag. Dieses ist bei Jasper wie bei seinen Freunden geprägt durch fehlende elterliche Präsenz und die Flucht in Wahn- und Allmachtsphantasien. Der Schulbesuch erscheint als überflüssige Pflicht, ad absurdum geführt von ahnungslosen Lehrern, deren pädagogische Nichtsnutzigkeit noch von einem völlig deplatzierten Rektor übertroffen wird.
Da hilft nur noch die beste Freundin, um sich den Bedrohungen des Alltags zu erwehren. Gemeinsam mit Tenaya schmiedet Jasper zwei Pläne, die Mördervergangenheit von Keith, dem neuen Lebensgefährte seiner Mutter, zu entlarven und Georgia Treeley zu verführen.
Nach den ersten Seiten wollte ich das Buch zunächst nicht weiter lesen. Schon wieder so ein Pubertätsroman. Nach den noch nicht so lange hinter mir liegenden 780 Seiten von „Skippy stirbt“, fühlte ich mich daran übersättigt und vielleicht auch ganz einfach zu alt. Doch dann hat mich der Humor des Erzählers gepackt und haben mich Parties, Pornos , Pickel, und ja auch hier Priester, nicht nur ertragen lassen, sondern sogar amüsiert.
Eine Milieustudie der Generation „I (don’t) like it“, in der Brooks sehr offen die Bewältigungsstrategien zeigt. Nicht ohne hinter all’ ihrem vermeintlich abgeklärtem Gehabe auch die sensiblen Seelen durchscheinen zu lassen.
„Man sollte in der Oberstufe die Wahl zwischen positiver und negativer Psychologie haben, denn bei unserer Art von Psychologie lernt man vor allem was über Serienmörder und Schizophrene, aber ich würde lieber etwas über Verliebte lernen, und über Kinder, die den Krebs besiegen.“
Es handelt sich also um einen Jugendroman, der trotz des nicht ausgewiesenen Vermerks „FSK unter 20“, auch von Erwachsenen gelesen werden darf. Eine Lektüre, die etwas zu lehren vermag. Nicht nur mit welcher Strategie sich jeder Zeuge Jehovas endgültig in die Flucht schlagen lässt.
Genau genommen ist das ganze Buch eine romantische Liebesgeschichte und macht damit jedem Vampirdrama mit Leichtigkeit Konkurrenz.
„Sex ist alles. Sex ist was für Werbewände und Magazine. Es ist nichts, weswegen man wegweisende Entscheidungen über das Leben treffen sollte. Sex sollte der Nebeneffekt von etwas anderem sein.“
„Nachts werden wir erwachsen“ ist authentische Jugendliteratur. Das wäre mal ein Kandidat für die Schullektüre.