Jardim de Pedras

Sabine Peters poetischer Künstlerroman „Alles Verwandte“

Das ist der Ge­sang der Spin­ne im Netz. Das ist das Wach­sen von Grä­sern und Moos auf den Steinen.“

In ih­rem Ro­man „Al­les Ver­wand­te“ nimmt Sa­bi­ne Pe­ters ih­re Le­ser mit auf ei­ne Rei­se. Sie führt nach Por­tu­gal in das Berg­dorf Fei­tal. In der kar­gen Pro­vinz ab­seits der Küs­te be­su­chen sich zwei Frau­en um ih­rer al­ten Freund­schaft wil­len. Dies führt bei­de zu­rück in die Ver­gan­gen­heit ge­mein­sa­mer wie sub­jek­ti­ver Erinnerungen.

Mit gro­ßer Em­pa­thie be­schreibt Sa­bi­ne Pe­ters die Frau­en und die Re­gi­on. Im stei­ni­gen Fei­tal, fern von Fort­schritt und Be­trieb, scheint die Zeit still zu ste­hen. Doch die Aus­wir­kun­gen der ge­sell­schaft­li­chen Um­brü­che sind spür­bar. Die Fi­nanz­kri­se schwächt die ab­seits ge­le­ge­nen Klein­be­trie­be. Das In­ter­net ist er­reich­bar, wenn auch mit ab­ge­schwäch­ter Kraft.

Die por­tu­gie­si­sche Künst­le­rin Li­no lebt nach Jah­ren in Deutsch­land und der Tren­nung von ih­rem Mann wie­der in ih­rem Hei­mat­dorf. Dort er­war­tet sie Ma­rie, ih­re Freun­din aus „Jar­dim de Pe­dras“ weiterlesen

Memoir in Naturkulisse

Howard Axelrod erzählt in „Allein in den Wäldern“ von der Suche nach sich selbst

Und ich ahn­te nicht, dass mich nach Er­schei­nen des Ar­ti­kels ein Ver­le­ger kon­tak­tie­ren wür­de, um mich zu fra­gen, ob ich nicht ein Buch schrei­ben woll­te. Ob ich nicht ir­gend­wel­che Ge­schich­ten über Leu­te ge­hört hät­te, die ich ger­ne er­zäh­len wür­de. Ge­nau die­ses Ge­spräch brach­te mich dann auf die Idee, mei­ne ei­ge­ne Ge­schich­te zu er­zäh­len – von mei­nem Un­fall, den Jah­ren in der Ein­sam­keit und mei­ner lang­wie­ri­gen, merk­wür­di­gen Su­che nach mei­nem Platz in der Welt, nach ei­nem neu­en Ver­ständ­nis der Rea­li­tät, nach ei­ner neu­en Perspektive.“

Die­ses Be­kennt­nis im letz­ten Ka­pi­tel des vor­lie­gen­den Buchs be­schreibt bes­ser als der Ti­tel, daß „Al­lein in den Wäl­dern“ nicht nur vom (Über)leben in der Na­tur er­zählt. Ho­ward Axel­rod schil­dert in sei­nem als Me­moir zu be­zeich­nen­dem Werk kei­ne mo­der­ne Ver­si­on von Tho­re­aus Wal­den“ , auch wenn er die­sen Klas­si­ker zitiert.

Par­al­le­len im Ver­hal­ten der bei­den Prot­ago­nis­ten be­stehen durch­aus. Wie Tho­reau so ist auch Axel­rod kein Selbst­ver­sor­ger und den Lau­nen der Na­tur nicht ganz und gar aus­ge­setzt wie ein ein­sa­mer Na­tur­bur­sche fern der Zi­vi­li­sa­ti­on. Die­se ist mü­he­los zu er­rei­chen, von Axel­rod so­gar mit dem ei­ge­nen Au­to, um sich mit dem Nö­tigs­ten zu ver­sor­gen oder auch mal ein­zu­keh­ren. Wäh­rend Tho­reau bis­wei­len „Me­moir in Na­tur­ku­lis­se“ weiterlesen

Mit Schnaps und Proviant ein Jahr auf der Hochalm

Am schönsten ist’s bei schlechtem Wetter“ – Jürgen Königs Jahr auf Medalges

91_1

… daß es kei­nen Baum gibt, ist gut so. Ich woll­te ja ei­ne Hüt­te ober­halb der Baum­gren­ze, da, wo nur noch kar­ge Alm­wie­sen und Fel­sen sind, al­so weit über 2000 Me­ter, da, wo ich die Ein­sam­keit ver­mu­te und wo man weit­ge­hend si­cher ist vor den Büch­sen schnei­di­ger Nim­rods und ih­rer um­trie­bi­gen Jagdgäste.

Die Hüt­te – sie heißt Fur­cia; das be­deu­tet auf la­di­nisch „Ga­bel“ – ist auf den ers­ten Blick recht ge­müt­lich. Auf den zwei­ten ist sie es nicht mehr. Sie be­steht aus vier Räu­men, aus Kü­che, Stu­be, Schlaf- und Speisekammer.“

 

Un­ten ist schon Früh­som­mer, oben noch kein Früh­ling, als Jür­gen Kö­nig im Mai 1989 für ein Jahr in die Do­lo­mi­ten zieht. Sein Zu­hau­se auf Zeit, die Fur­cia-Hüt­te, be­fin­det sich auf Me­dal­ges in 2300 m Hö­he, mit­ten im Na­tur­park Puez-Geis­ler.

Doch was mo­ti­viert den Jour­na­list und Schrift­stel­ler Kö­nig, der sonst ei­nen Bau­ern­hof in Bay­ern be­wohnt? Ist er Ein­zel­gän­ger? Treibt ihn die Sehn­sucht nach der Na­tur? Oder will er ein­fach Ru­he vor dem Wahn­sinn un­tern Men­schen? Sein von Tho­reau ent­lehn­tes Mot­to legt dies na­he: „Mit Schnaps und Pro­vi­ant ein Jahr auf der Hoch­alm“ weiterlesen

Endzeit-Elegie

Valerie Fritsch beschreibt in „Winters Garten“ mit pathetisch schönen Bildern die Vergänglichkeit

fritschEr er­in­ner­te sich an die Som­mer bei den Groß­el­tern wie an ein Kö­nig­reich, aus dem man ver­trie­ben wor­den war. Er dach­te an die But­ter­blu­men und die Ma­ril­len­knö­del. Die hand­tel­ler­gro­ßen Hol­ler­blü­ten ein­ge­legt in Zu­cker. (…) Er rief die Bil­der der Wie­sen zu­rück, und ihm schien, als sä­he er, wie im Gar­ten glei­cher­ma­ßen die Köp­fe der Lö­wen­zäh­ne und die Häup­ter der Groß­el­tern erst weiß wur­den und dann kahl im Wind der Jah­re. Wie die­se ge­sun­den Men­schen mit den Ap­fel­ba­cken und den Zahn­lü­cken schrumpf­ten. Wie die led­ri­gen Bau­ern­hän­de auf­ris­sen und blaue Adern im Mar­mor der blei­chen Haut der Al­ten wuch­sen. Wie al­les alt wur­de. Wie vie­les verschwand.“

Bild­reich, wort­ge­wal­tig und poe­tisch klin­gen be­reits die ers­ten Sei­ten von Va­le­rie Frit­schs Ro­man „Win­ters Gar­ten. Sie kon­fron­tie­ren den Men­schen mit sei­ner ei­ge­nen Ver­gäng­lich­keit, mit der sei­nes Kör­pers und mit der des Geis­tes, ge­spie­gelt in sei­ner Haut, was die Au­torin über­zeu­gend aus­zu­drü­cken weiß.

Das scheint er­staun­lich an­ge­sichts des Al­ters von Frit­sch, die als weit­ge­reis­te Fo­to­gra­fin auf un­ge­wöhn­li­che Er­fah­run­gen blickt. Auch ihr un­längst auf dem Bach­mann-Wett­be­werb vor­ge­stell­ter Text spie­gel­te dies.

Mit „Win­ters Gar­ten“ legt sie ei­nen End­zeit­ro­man vor, bei dem die Zi­vi­li­sa­ti­ons­flucht das „End­zeit-Ele­gie“ weiterlesen

Landlust

Doris Knecht erzählt in Wald wie sich eine Stadtmaus zur Landmaus wandelt

U1_978-3-87134-769-6.inddDas Le­ben am Land ist nicht zärt­li­cher als das Le­ben in der Stadt. Die Men­schen sind nicht net­ter zu­ein­an­der, weil sie sich bes­ser und län­ger ken­nen oder al­le ir­gend­wie mit­ein­an­der ver­wandt sind. Die schö­ne Na­tur um sie her­um macht sie nicht dank­bar und weich, im Gegenteil.“

Als ich in der Vor­schau des Ro­wohlt-Ver­lags den neu­en Ro­man von Do­ris Knecht ent­deck­te, er­in­ner­te mich nicht nur sein Ti­tel „Wald“ so­fort an das be­kann­te Buch ei­ner an­de­ren ös­ter­rei­chi­schen Au­torin, „Die Wand“ von Mar­le­ne Haus­ho­fer. Hier wie dort wird ei­ne Frau auf sich selbst zu­rück­ge­wor­fen, auf ein ein­sa­mes, be­schei­de­nes Le­ben als Selbst­ver­sor­ge­rin. Ei­ne Hüt­te in der Na­tur dient auch dem Prot­ago­nis­ten ei­nes an­de­ren ak­tu­el­len und eben­falls ös­ter­rei­chi­schen Ro­mans als Zu­flucht, Er­win Uhr­manns „Ich bin die Zu­kunft“. In bei­den Ro­ma­nen spielt die Fi­nanz­kri­se ei­ne Rol­le, doch wäh­rend sie in Uhr­manns Dys­to­pie glo­ba­le Ka­ta­stro­phen be­glei­tet, wirkt sie bei Knecht im Privaten.

Die Hel­din Ma­ri­an Ma­lin macht in Mo­de bis sie die Leh­man Brot­hers, ein un­fä­hi­ger Bank­be­ra­ter und dum­me Ge­schäf­te in den Ru­in stür­zen. Ihr sat­tes Le­ben im LO­HA-Lu­xus „Land­lust“ weiterlesen