LOHAS in der Südsee

In „Das Paradies des August Engelhardt“ erzählt Marc Buhl von Lichtluftmenschen und Sonnenkindern

Die aus­schliess­li­che Ko­kos­nuss-Di­ät macht un­sterb­lich und ver­ei­nigt mit Gott, denn nack­ter Ko­ko­vo­ris­mus ist Got­tes Wille …”

Als ei­nen Vor­läu­fer des LOHAS könnt man Au­gust En­gel­hardt be­zeich­nen, denn er prak­ti­zier­te vor gut hun­dert Jah­ren ei­nen sehr sub­stan­ti­el­len „Life­style of He­alth and Sus­taina­bi­li­ty“. Wie En­gel­hardt die­sen mit Ko­kos­nuss und Son­nen­kult aus­füll­te und wel­che Fol­gen die­se höchst ein­sei­ti­ge Di­ät und das nack­te Le­ben un­ter bren­nen­der Süd­see­son­ne für ihn und an­de­re hat­te, be­schreibt Marc Buhl in sei­nem neu­en Ro­man auf höchst un­ter­halt­sa­me Weise.

Es han­delt sich um ei­nen his­to­ri­schen Stoff, den Buhl in sei­nem Ro­man fik­tio­na­li­siert, denn es gab sie wirk­lich die Ko­ko­vo­ren auf Ka­ba­kon, ei­nem klei­nen In­sel­chen der Neu-Lau­en­burg-Grup­pe im da­ma­li­gen Bismarck-Archipel.

Als En­gel­hardt mit 27 Jah­ren zum Süd­see­insu­la­ner wird, hat er schon ei­ni­ges hin­ter sich. Er er­in­nert sich an sei­ne Er­leb­nis­se beim Mi­li­tär, wo er we­gen so­zia­lis­ti­scher Um­trie­be zum LOHAS in der Süd­see“ weiterlesen

Sex and Drugs and Literature

Gwendoline Riley erzählt in ihrem neuem Roman „Joshua Spassky“ vom Drumherumreden

Ein Mäd­chen trifft ei­nen Jun­gen, bes­ser, ei­ne jun­ge Schrift­stel­le­rin trifft ei­nen jun­gen Thea­ter­au­tor. Sie ver­brin­gen ei­ni­ge Ta­ge mit­ein­an­der, sie füh­len sich zu­ein­an­der hin­ge­zo­gen, sie sind viel­leicht ver­liebt. Doch das kann kei­ner der bei­den sa­gen oder viel­leicht wa­gen sie es auch ein­fach nicht. Denn sie sind cool und bo­ckig, sehr jung und wahr­schein­lich sehr ver­letzt. Nicht nur gu­te Er­fah­run­gen lie­gen hin­ter ih­nen, nur in den we­nigs­ten Fa­mi­li­en ist es im­mer ganz ein­fach. Doch wer nichts er­lit­ten hat, hat auch nicht den Drang et­was zu er­zäh­len. Dies und die Lie­be zur Li­te­ra­tur ver­bin­det sie.

Trotz­dem ge­hen sie wie­der aus­ein­an­der. Jo­shua kehrt zu­rück nach Ame­ri­ka, Na­ta­lie bleibt in Man­ches­ter. Die ver­spro­che­nen Brie­fe und Te­le­fon­an­ru­fe wer­den sel­te­ner, der an­ge­kün­dig­te Be­such Jo­shu­as fällt aus. Na­ta­lie be­kämpft ih­ren Schmerz mit dem In­halt all’ der Fla­schen, die für die ge­mein­sa­men „Sex and Drugs and Li­te­ra­tu­re“ weiterlesen

Kream Korner is Dream Korner”

Anna Katharina Fröhlich besingt in ihrem neuen Roman die Sehnsucht nach Indien

Der Ver­such zu be­grei­fen, wes­halb man In­di­en liebt, ist eben­so sinn­los wie der Ver­such zu er­klä­ren, wes­halb man das Le­ben liebt.“

Kream Kor­ner ist nicht nur der blu­mi­ge Na­me ei­ner Gar­kü­che auf dem Dach in ei­ner in­di­schen Pro­vinz­stadt, Kream Kor­ner wird nach der Lek­tü­re des gleich­na­mi­gen Ro­mans zum In­be­griff für ganz In­di­en. Doch be­vor die Le­ser ge­gen En­de des Bu­ches die wack­li­gen In­stal­la­tio­nen die­ses Eta­blis­se­ment be­tre­ten, führt die Au­torin sie in die de­ka­den­te Welt der in­di­schen Ober­schicht. Prunk­vol­le Stadt­pa­läs­te be­geg­nen uns dort, in de­nen ei­ne „nach nas­sem Da­ckel­fell und Mot­ten­ku­geln rie­chen­de Küh­le“ herrscht und der Haus­herr sich in Gon­del­pan­tof­feln vor ei­nem ana­chro­nis­tisch an­mu­ten­den Flach­bild­schirm re­kelt. Es han­delt sich um Ma­ri­pal Singh Bill, das Ober­haupt ei­ner über­aus wohl­ha­ben­den Sikh-Fa­mi­lie, mit der Lord Les­lie, der ver­stor­be­ne On­kel der Ich-Er­zäh­le­rin, ei­ne di­plo­ma­ti­sche Freund­schaft ver­band. Frü­her wa­ren sie häu­fig Gäs­te der Bills, wel­che die Tan­te ger­ne als ei­ne „Ban­de ver­wöhn­ter Faul­pel­ze“ be­zeich­net, von de­nen man­cher „der­art von sei­nen Pri­vi­le­gi­en ver­blö­det war, dass er nur noch die Wet­ter­la­ge klar ein­zu­schät­zen ver­stand“.

Ge­mein­sam mit ih­rer Tan­te trifft die jun­ge Frau nun an­läss­lich ei­ner Hoch­zeits­ein­la­dung er­neut bei den Bills ein. Sie hat­te sich nach der Auf­ga­be ih­res Theo­lo­gie­stu­di­ums auf das süd­fran­zö­si­sche Kream Kor­ner is Dream Kor­ner”“ weiterlesen

Proust — Die Pandorabüchse des Grandhotels

Kurgesellschaft

Un­ser Held, der ju­gend­li­che Mar­cel, ver­bringt zum ers­ten Mal sei­ne Zeit in ei­nem Grand­ho­tel und be­schert uns mit sei­nen Be­ob­ach­tun­gen ei­ne amü­san­te Ana­ly­se der Freu­den und Nö­te des dor­ti­gen ge­sell­schaft­li­chen Ge­ran­gels. Nichts scheint schwie­ri­ger als in der ver­meint­lich ver­ein­heit­li­chen­den At­mo­sphä­re ei­ner ge­mein­sa­men Ba­de­kur die ge­sell­schaft­li­chen Schran­ken aufrechtzuerhalten.

Die­ser Schwie­rig­keit, al­len com­me il faut ge­recht zu wer­den, sieht sich auch der Di­rek­tor des Grand-Hô­tel de la Pla­ge in Bal­bec aus­ge­setzt. Das Äu­ße­re die­ses Herrn er­in­nert an ei­ne le­bens­ge­gerb­te Pa­go­de im Smo­king, aber sein psy­cho­lo­gi­sches Ge­spür täuscht ihn manch­mal. Nicht im­mer er­kennt er, wer die aus­rei­chen­de Fi­nanz­stär­ke ei­nes wür­di­gen Gas­tes aus­strahlt. Meist sind das Auf­tre­ten, ein ex­klu­si­ves Äu­ße­res, aber auch die „ge­wähl­ten, aber falsch an­ge­brach­ten“ Re­de­wen­dun­gen deut­li­che In­di­zi­en. Doch ob Bour­geois „Proust — Die Pan­do­rabüch­se des Grand­ho­tels“ weiterlesen

Proust — Strandmaenaden

Balbec

Wind­bö­en über fla­chen Strän­den, de­ren En­den wie der Ho­ri­zont in un­end­li­cher Wei­te zu lie­gen schei­nen. Mit Wel­len und zahl­lo­sen Va­ri­an­ten von Blau macht das Meer auf sich auf­merk­sam, des­sen Gicht die Luft feucht und sal­zig macht. Be­son­ders gut für den asth­ma­kran­ken Jun­gen, der in Be­glei­tung  sei­ner Groß­mutter, die­se Bri­se nun et­li­che Wo­chen at­men wird. Fern von Ma­man, fern von lie­ben Ge­wohn­hei­ten, fern von der hei­mat­li­chen Idyl­le und dem Schutz des ei­ge­nen Zim­mers, sieht sich der jun­ge Er­zäh­ler ei­ner frem­den, un­be­kann­ten Um­ge­bung aus­ge­setzt. Er muss sich erst ein­mal ge­wöh­nen, an das kah­le Zim­mer, an die Ri­ten des Ho­tel­le­bens, an die Ge­sell­schaft an­de­rer Men­schen, die zu­gleich er­stre­bens­wert wie un­er­reich­bar er­scheint. Mar­cel nä­hert sich durch Be­ob­ach­tung. Er sieht Grup­pen von jun­gen Men­schen, im glei­chen Al­ter wie er aber doch gänz­lich an­ders in ih­rem Ver­hal­ten. Nicht der Ob­hut ei­ner Groß­mutter son­dern sich selbst über­las­sen ver­gnü­gen sie sich ganz präch­tig. Al­lei­ne ihr Auf­tre­ten mit Ten­nis- oder Golf­schlä­ger, auf dem Fahr­rad oder gar auf dem „Proust — Strand­maena­den“ weiterlesen

Der Tennisballwecker des Zeitungsdompteurs

Existenzialistisches Grauen in Markus Orths’ neuem Roman „Die Tarnkappe

Man ist in den Knast des Le­bens ge­bo­ren und ti­gert dar­in auf und ab, le­bens­läng­lich, und war­tet auf den Tag der Ent­las­sung, den Tod, man war­tet mit Schre­cken dar­auf und mit Sehn­sucht.“ (S. 100)

Auch Si­mon Bloch war­tet nur noch dar­auf, daß ihm sein ei­ge­ner Zie­gel auf den Kopf fällt. Der 45-jäh­ri­ge, vor kur­zem ver­wit­wet und als Be­schwer­de­be­schwich­ti­ger tä­tig, hat be­reits mit sei­nem Le­ben ab­ge­schlos­sen. Als ein­zi­ges Über­ra­schungs­mo­ment bleibt ihm die Rei­hen­fol­ge der ein­zeln ge­fal­te­ten Zei­tungs­blät­ter bei der mor­gend­li­chen Lek­tü­re im Bus.

Vor et­li­chen Jah­ren be­reits hat­te er sei­nen Le­bens­traum vom Film­kom­po­nis­ten auf­ge­ge­ben. Da­mals, bei der Be­ob­ach­tung ei­nes Paa­res, das in „ödes­ter Mit­tel­mä­ßig­keit“ bei Ap­fel­saft­schor­le und Kirsch-Ba­na­nen­saft sei­nen Im­pro­vi­sa­tio­nen in der Jazz­knei­pe Wal­fisch lausch­te. Er fühl­te sich ent­larvt, er­kann­te „Der Ten­nis­ball­we­cker des Zei­tungs­domp­teurs“ weiterlesen

Tschick und Maik auf Lada-Tour

Skurrile Abenteuer zweier Jungs in Wolfgang Herrndorfs neuem Roman „Tschick

Dies ist ein gu­tes Buch, ein un­ter­halt­sa­mes Buch, flott und amü­sant, an man­chen Stel­len nach­denk­lich. Ein Buch für Ju­gend­li­che, wel­che den ewi­gen Vam­pirsch­mon­zes leid sind. Ein Buch eben nicht nur für Mäd­chen, son­dern auch für Jungs. Denn um die­se geht es.

Ge­nau­er, um zwei Vier­zehn­jäh­ri­ge, die im wirk­lich nicht leich­ten Zu­stand der Pu­ber­tät ih­re Iden­ti­täts­su­che be­wäl­ti­gen. Bei­de sind Au­ßen­sei­ter. Aus un­ter­schied­li­chen Grün­den sind sie we­der in ih­rer Klas­se noch in ei­ner Cli­que in­te­griert und be­sit­zen auch kei­nen sta­bi­len fa­mi­liä­ren Rück­halt. Sie kämp­fen mit den Lei­den der un­er­wi­der­ten ers­ten Lie­be, trin­ken sich die Schu­le schön und wol­len nie so wer­den wie ih­re El­tern. Sie glau­ben, an­ders zu sein als al­le an­de­ren, und dies führt sie in den gro­ßen Fe­ri­en schließ­lich zueinander.

Der pas­si­ve Ma­ik, der Haus, Swim­ming­pool, Tief­kühl­tru­he und vor al­lem sich „Tschick und Ma­ik auf La­da-Tour“ weiterlesen

Man hört nur mit den Ohren gut

Tausendundeine birmanische Erbaulichkeit serviert von Jan-Philipp Sendker — Literaturkreis 2/2011

Ich dach­te ja schon al­les hin­ter mir zu ha­ben seit den einst im Fran­zö­sisch­un­ter­richt zwangs­wei­se ver­ord­ne­ten Weis­hei­ten ei­nes ge­wis­sen klei­nen Prin­zen und den Nai­vi­tä­ten ei­nes be­zopf­ten Best­sel­le­re­so­te­ri­kers. Aber, so wür­den mir die Adep­ten die­ser Ver­kün­der zu­ru­fen, die Prü­fun­gen hö­ren nie­mals auf! Folg­lich er­war­te­te mich im ak­tu­el­len Buch un­se­res Li­te­ra­tur­krei­ses ei­ne neue Her­aus­for­de­rung. „Das Her­zen­hö­ren“, die­ser Ti­tel klang in mei­nen Oh­ren be­reits ver­däch­tig rühr­se­lig, auch das hell­blau apri­cot­far­be­ne, ei­ne ge­wis­se Süß­lich­keit aus­strah­len­de Co­ver und der ali­te­ra­ri­sche Gold­mann-Ver­lag tru­gen nicht ge­ra­de er­heb­lich zur Zu­ver­sicht bei.

Der Klap­pen­text kün­digt ei­ne Ge­schich­te vol­ler Wun­der und Weis­hei­ten an, die Su­che nach der Ver­gan­gen­heit des Va­ters und dem Ge­heim­nis der ewi­gen Lie­be. Die­ses Ge­heim­nis trägt als Span­nungs­bo­gen die ge­sam­te Handlung.

Ein äl­te­rer Mann bir­ma­ni­scher Her­kunft ver­schwin­det aus sei­ner ge­si­cher­ten „Man hört nur mit den Oh­ren gut“ weiterlesen

Träume im Stauburwald

Schöne Sprüche in Lucy Frickes „Ich habe Freunde mitgebracht

Am An­fang steht die Flucht. Auf ei­ner knap­pen Sei­te be­geg­net der Le­ser vier Per­so­nen auf dem Weg nach Nor­den, zwei an­schei­nend schwer ver­letzt. Ei­ne Road­sto­ry ent­wi­ckelt sich den­noch nicht, die Ge­schich­te ist in der Rück­schau an­ge­legt. Zu­dem wird die Fahrt wohl eher eng als ra­sant ge­we­sen sein, denn sie er­folg­te in ei­nem mit vier Per­so­nen voll be­setz­ten VW Lu­po und das En­de ist an­ders als erträumt.

Wir ler­nen die vier Freun­de ken­nen. Mar­tha und Hen­ning sind ein Paar. Bet­ty, die beim Film als Skript­girl ar­bei­tet, ist mit Mar­tha be­freun­det, Jon, ein er­folg­lo­ser Schau­spie­ler, mit Hen­ning. Al­le ver­bin­det der Wunsch ih­rer bis­he­ri­gen Exis­tenz zu ent­flie­hen. Ganz tra­di­tio­nell träu­men die Frau­en vom per­sön­li­chen Glück, wel­ches sie in ei­nem Kind oder in ei­ner er­füll­ten Lie­bes­be­zie­hung ver­mu­ten. Die bei­den Män­ner er­hof­fen sich hin­ge­gen be­ruf­li­chen Erfolg.

In schnel­lem Wech­sel rich­tet Fri­cke den Fo­kus auf je­weils ei­ne der Haupt­per­so­nen und skiz­ziert mit rück­halt­los ehr­li­chen, oft sar­kas­ti­schen Be­mer­kun­gen auf we­ni­gen Sei­ten de­ren Welt­sicht. Die ent­täusch­te Bet­ty ver­ach­tet ih­ren Nach­barn, der ist „kei­ne 25 und hängt schon am Le­ben“, die Tren­nung von „Träu­me im Stau­bur­wald“ weiterlesen

Wenn der Vater mit dem Sohne

Eine gelungene Moselreise des jungen Hanns-Josef Ortheil

Wä­re es be­reits Früh­ling, wür­de ich am liebs­ten so­fort zu ei­ner klei­nen Mo­sel­wan­de­rung auf­bre­chen. Es wä­re ei­ne Nost­al­gie­fahrt, denn in Trier auf­ge­wach­sen und in ei­nem Mo­sel­städt­chen ge­bo­ren ver­brach­te ich vie­le Jah­re zwi­schen Rö­mern, Wein­ber­gen und Burgen.

Im vor­lie­gen­den Buch mit dem schnör­kel­lo­sen Ti­tel „Die Mo­sel­rei­se“ han­delt es sich um ein Rei­se­ta­ge­buch, wel­ches der jun­ge Hanns-Jo­sef Ort­heil im Jahr 1963 ver­fasst hat. Der Text ent­stand aus Be­schrei­bun­gen, Auf­zeich­nun­gen und Ge­sprächs­no­ti­zen, die der Elf­jäh­ri­gen am En­de der Rei­se zu­sam­men­füg­te. Ort­heil be­schreibt die Ge­ne­se des Tex­tes, der auch als Er­gän­zung sei­nes au­to­bio­gra­phi­schen Ro­mans „Die Er­fin­dung des Le­bens“ ge­le­sen wer­den kann, aus­führ­lich im Vor- und Nachwort.

Die Rei­se be­ginnt mit ei­ner Bahn­fahrt nach Ko­blenz. Sei­ne ver­trau­te Hei­mat­stadt Köln mit dem präch­ti­gen Dom und der ge­lieb­ten Mut­ter lässt der Jun­ge zu­rück und tauscht sie ge­gen „Wenn der Va­ter mit dem Soh­ne“ weiterlesen