Julian Barnes betreibt in „Der Mann im roten Rock“ einen Streifzug durch die Belle Époque
„Machen wir also weiter mit dem Greifbaren, dem Spezifischen, dem Alltäglichen: dem roten Rock. Denn so bin ich dem Bild und dem Mann zum ersten Mal begegnet: 2015 in der National Portrait Gallery in London als Leihgabe aus Amerika. (…) Das Modell – der Bürgerliche mit dem italienischen Namen – ist 35, sieht gut aus, trägt einen Bart und schaut selbstbewusst über unsere rechte Schulter.“
Julian Barnes neues Werk, „Der Mann im roten Rock“, weckte mein Interesse durch seine titelgebende Figur. Diese sei, so las ich, eine von Prousts Inspirationsquellen für die Figur des Doktor Cottard gewesen. Wie dieser war auch Dr. Samuel Pozzi, den der amerikanische Maler John Singer-Sargent im auffälligen roten Hausgewand verewigte, ein berühmter Mediziner. Sein Fachgebiet war allerdings anders als das des Proust‘schen Arztes die Gynäkologie. Beide waren Frauenhelden, Cottards Eroberungen sind allerdings weniger seinem Äußeren zuzuschreiben. Es gibt also wohl so viele Unterschiede zwischen der historischen Person Pozzi und der fiktiven Figur Cottard wie es Gemeinsamkeiten gibt. Das gilt für die meisten Personen, die Proust porträtierte. Eine Ausnahme bildet vielleicht Mme Cottard, der Philippe Michel-Thiriet als Vorbild Pozzis Ehefrau Thérèse zuschreibt, „die ganz in ihren Pflichten als Gemahlin aufgeht und die von ihrem Gatten ebenso betrogen wird“.
Diese hier in wenigen Zeilen aufgezählten Eigenschaften bilden die Fama Pozzis. Er galt als fortschrittlicher Arzt, der sich nicht nur beruflich den Frauen widmete, als extravaganter Stilist, was sich in seiner Kleidung ebenso „Schillernde Persönlichkeiten im Paris der Jahrhundertwende“ weiterlesen