Steven Price imaginiert in „Der letzte Prinz“ die Beziehung von Schöpfer und Werk
„Manchmal war es, als hörte er den Roman mit sich reden. Sein Fürst, den er sich immer als vom fehlenden Glauben ausgehöhlt gedacht hatte, entpuppte sich vielmehr als Letzter der Gläubigen. Doch war der Glaube des Fürsten ein Glaube an die Tradition, an das Schicksal eines Geschlechts, und in solchen Augenblicken erkannte Giuseppe, dass er sich durch die eigene Bitterkeit hin zu dem Menschen geschrieben hatte, der er gern geworden wäre. Sein Fürst stand allein, ungerührt, brauchte niemanden, und gerade deshalb, und weil es kein wahres Überleben in der Isolation gibt, war die Stärke des Fürsten das, was ihn zerstörte.“
„Der Leopard“ oder besser „Il Gattopardo“, — die Wildkatze im Titel, die anders als das gefleckte Raubtier, sich nicht mit Brüllen Respekt verschaffen kann, enthüllt das Motto des Romans -, ist wohl jedem italophilen Leser bekannt. Der berühmteste italienische Roman des 20. Jahrhunderts schildert den Umschwung der Verhältnisse, die das Risorgimento ein Jahrhundert zuvor in Italien ausgelöst hatte. Von den Folgen des Freiheitskampfs unter Garibaldi erzählt Giuseppe Tomasi di Lampedusa, selbst Spross einer ehemals mächtigen Fürstenfamilie, am Beispiel des Adelsgeschlechts Salina. Dessen Oberhaupt, Fürst Fabrizio Salina, erkennt weitsichtig wie weise die gesellschaftlichen Veränderungen, die der politische Umbruch herbeiführen wird. Sein Neffe Tancredi arrangiert sich frühzeitig, indem er die zugrunde gehende Tradition zugunsten des Erfolgs hinter sich lässt, getreu seinem Wahlspruch „Wenn alles bleiben soll, wie es ist, muss sich alles ändern“.
Oft wird diese Haltung und damit der Roman als Gleichnis auf die postfaschistischen Verhältnisse Siziliens gedeutet. Ebenso liest man ihn als melancholische Reminiszenz des Autors auf die eigene Familie, trägt Don Fabrizio doch Züge von Tomasis Urgroßvater Giulio Fabrizio di Lampedusa. Auch weist Tancredi, der geliebte Neffe Don Fabrizios, Ähnlichkeiten mit Gioacchino Lanza auf, dem gleichfalls geliebten Neffen und Adoptivsohn Tomasis.
1954 begann Giuseppe Tomasi mit der Arbeit an seinem Roman, den er zwei Jahre später vollendete. Die Verlage Mondadori und Einaudi lehnten eine Veröffentlichung ab. Erst 1958, ein Jahr nach Tomasis Tod, erschien er durch die Fürsprache Giorgio Bassanis bei Feltrinelli. Weitere Jahrzehnte sollte es dauern, bis der Roman endlich in vollständiger Form erschien, inklusive zurückgehaltener Passagen.
Diese verschlungenen Beziehungen zwischen der Biographie Tomasis und dessen Werk mögen es sein, die den amerikanischen Literaturwissenschaftler Steven Price zu seinem Roman „Der letzte Prinz“ veranlassten. Er erzählt „Muse Melancholie“ weiterlesen