Scheinbar ausheimisch“

Warum Anna Kims „Geschichte eines Kindes“ auch als Roman über das Recht auf Abtreibung gelesen werden kann

Ent­we­der be­lü­ge ich mich selbst und ver­leug­ne mei­ne Her­kunft, er­klär­te sie, oder – sie woll­te sich nicht da­von über­zeu­gen las­sen, dass ich in mir haupt­säch­lich mich selbst sah, we­der ei­ne Asia­tin noch ei­ne asia­ti­sche Ös­ter­rei­che­rin, son­dern Fran, sim­ply Fran (…)“

Ich ha­be nie ver­stan­den, war­um die Her­kunft mei­ner Mut­ter schwe­rer wie­gen soll als die mei­nes Vaters.“

Der nüch­tern klin­gen­de Ti­tel, „Ge­schich­te ei­nes Kin­des“, ent­spricht der Form des neu­en Ro­mans von An­na Kim. Sie ver­knüpft dar­in die Er­leb­nis­se der Ich-Er­zäh­le­rin Fran­zis­ka, ei­ner ös­ter­rei­chi­schen Au­torin, die 2013 ein Jahr als Wri­ter in Re­si­dence am St. Ju­li­an Col­lege in Green Bay ver­bringt, mit Ak­ten­ein­trä­gen aus den 1950er Jah­ren. Die­se schil­dern das Schick­sal Dan­nys, ei­nes zur Ad­op­ti­on frei­ge­ge­be­nen Jun­gen un­kla­rer Her­kunft. Bei­de, Fran­zis­ka und Dan­ny, ver­bin­det, daß sie Schein­bar aus­hei­misch““ weiterlesen

Unsichtbar und unverzichtbar

Leïla Slimanis gesellschaftskritischer Roman „Dann schlaf auch du“ spielt mit dem Dilemma von Überforderung und Ausbeutung

Die Nan­ny ist wie die­se Sche­men, die im Thea­ter im Dun­keln das Büh­nen­bild um­bau­en. Sie he­ben ein So­fa an, ver­schie­ben ge­schwind ei­ne Säu­le aus Pap­pe, ein Stück Mau­er. Loui­se wirkt hin­ter den Ku­lis­sen, un­be­merkt und mäch­tig. Sie hat die un­sicht­ba­ren Fä­den in der Hand, oh­ne die der Zau­ber nicht funk­tio­niert. Sie ist Vish­nu, die näh­ren­de, ei­fer­süch­ti­ge und schüt­zen­de Gott­heit. Sie ist die Wöl­fin mit der Zit­ze, an der sie al­le trin­ken, die ver­läss­li­che Quel­le ih­res Familienglücks.“

Die Mo­ti­ve für Kinds­mord lie­gen meist im Wahn und der Ver­zweif­lung der Tä­te­rin. Nicht nur die Psy­che der Mut­ter oder wie hier der Nan­ny trägt zur Tat bei, son­dern oft auch die ge­sell­schaft­li­chen Um­stän­de. Leï­la Sli­ma­ni stellt in ih­rem neu­en Ro­man „Dann schlaf auch du“ bei­des her­aus, zum Glück oh­ne al­le Fra­gen ein­deu­tig zu beantworten.

Zu Be­ginn ist die blu­ti­ge Tat be­reits voll­bracht. Ei­ne Frau ver­liert die Fas­sung vor den leb­lo­sen Kör­pern ih­rer bei­den Kin­der, die von ih­rem Kin­der­mäd­chen „Un­sicht­bar und un­ver­zicht­bar“ weiterlesen