Juroren, Blogger und eine Longlist
Als der Deutsche Buchpreis 2005 ins Leben gerufen wurde, war er zunächst im Buchhandel kaum bekannt. Eine Suche nach dem Leseprobenheft der Longlist geriet selbst in Universitätsstädten zu einer Jagd. In der virtuellen Welt war das Interesse größer. In den Foren von Buchticket und Die Leselust fand ich Gleichgesinnte, die über die Romane der Longlist diskutieren wollten.
Seitdem hat sich manches verändert. Das Leseprobenheft liegt in den Buchhandlungen bereit, oft neben den Stapeln der nominierten Romane. Die Diskussionen verlagerten sich von den Foren in die Blogs, seit 2013 wird dieser Preis sogar offiziell von Literaturbloggern begleitet. In diesem Jahr dürfen wir gespannt sein auf die Meinungen von Buchrevier, Buzzaldrins Bücher, Kaffeehaussitzer, Klappentexterin, Lustauflesen, masuko13 und Sätze&Schätze.
Gleich geblieben sind die Usancen der Preisvergabe. Verlage können aus den von Oktober des Vorjahres bis September publizierten deutschsprachigen Romanen maximal zwei Titel einreichen. Daraus wählt die siebenköpfige Jury zunächst eine Liste mit 20 Romanen, aus der die Shortlist mit sechs Titeln hervorgeht. Der Gewinner wird pünktlich zur Eröffnung der Frankfurter Buchmesse verkündet.
Die Zusammensetzung der Jury obliegt der Akademie Deutscher Buchpreis und ändert sich jährlich. Schon vor ein paar Jahren fragte ich mich, wann das Reservoir juryfähiger deutscher Literaturkritiker erschöpft sein werde. Zwar gibt es Literaturwissenschaftler, Lektoren, Übersetzer und nicht zuletzt Autoren, die für dieses Amt geeignet wären. Doch wer setzt sich schon gerne zwischen alle Stühle? Zumal sich auch von Autorenseite immer wieder Protest gegen diese Vermarktung der Kultur regt. So hat Ralf Rothmann bereits frühzeitig die Einreichung seines hochgelobten Romans Im Frühling sterben verhindert. Dadurch ist er konsequenter als kritische Schriftstellerkollegen wie Wilhelm Genazino oder Michael Ziegelwagner. Dieser rief im letzten Jahr gar zu einem Picknickprotest der Kandidaten auf.
Der Buchpreis wird wohl bleiben, der schriftstellerischen Schaffensfülle sei’s gedankt. Kreativ ist auch die Akademie, sie wählte in die diesjährige Jury neben den Literaturkritikern Claudia Kramatschek, Ulrike Sárkány, Christopher Schmitt und Bettina Schulte, die beiden Buchhändler Ursula Kloke und Rolf Keussen sowie den Musiker Markus Hinterhäuser.
Wie sie die diesjährige Longlist füllen, erfahren wir am 19. August. Knapp einen Monat später, am 11. September, werden die Shortlistkandidaten bekanntgegeben. Von diesen wird ein einziger am 12 .Oktober den mit 25000 dotierten Deutschen Buchpreis erringen. Die Übrigen werden mit einem pekuniären Trostpflaster und gemischten Gefühlen nach Hause gehen.
Damit die Zeit bis zur Longlist nicht zu lange wird, habe ich eine Mischung aus Lektüre, Vorliebe und Kalkül zusammengestellt, natürlich ohne alle Vorgaben einzuhalten.
Atalantes Longlist:
Anna Baar, Die Farbe des Granatapfels, Wallstein
Christine Bilkau, Die Glücklichen, Luchterhand
Nora Bossong, 36,9°, Hanser
Ralph Dutli, Die Liebenden von Mantua, Wallstein
Ludwig Fels, Die Hottentottenwerft, Jung&Jung
Valerie Fritsch, Winters Garten, Suhrkamp
Stefan Gärtner, Putins Weiber, Rowohlt
Dana Grigorcea, Das primäre Gefühl der Schuldlosigkeit, Dörlemann
Heinz Helle, Eigentlich müssten wir tanzen, Suhrkamp
Gila Lustiger, Die Schuld der anderen, Berlin Verlag
Matthias Nawrat, Die vielen Tode unseres Opas Jurek, Rowohlt
Karl-Heinz Ott, Die Auferstehung, Hanser
Angelika Overath, Sie dreht sich um, Luchterhand
Irene Ruttmann, Adèle, Zsolnay
Norbert Scheuer, Die Sprache der Vögel, C. H. Beck
Clemens J. Setz, Die Stunde zwischen Frau und Gitarre, Suhrkamp
Ruth Schweikert, Wie wir älter werden, S. Fischer
Philipp Tingler, Schöne Seelen, Kein&Aber
Anne Weber, Ahnen, S. Fischer
Feridun Zaimoglu, Siebentürmeviertel, Kiepenheuer&Witsch
Hier geht’s zur offiziellen Longlist.