Neues und Altbewährtes
Der Deutsche Buchpreis beruht auf Konstanten. Aus deutschsprachigen Romanen, die zwischen Oktober des Vorjahres und September erscheinen, wählt eine stets neue Jury 20 Titel für eine Longlist. Diese wird Mitte August bekannt gegeben und im September auf sechs Shortlistkandidaten eingedampft. Alle Autoren dieser Werke erhalten zwar zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse im Kaisersaal des Römer ein Preisgeld, doch fiebert jeder der höchsten Auszeichnung entgegen. Für manchen Schriftsteller ist dies nichts Neues.
Auch auf der heute veröffentlichten Liste finden sich elf alte Buchpreishasen, die bereits für die vergangenen Preise nominiert waren, Lukas Bärfuss, Ulrike Draesner, Esther Kinsky, Angelika Klüssendorf, Thomas Melle, Saša Stanišić, Heinrich Steinfest und Marlene Streeruwitz. Für Feridun Zaimoglu, Thomas Hettche und Michael Köhlmeier erfolgt der Buchpreis-Stress sogar zum dritten Mal. Dass dabei der Eustress überwiege, wünscht man vor allem den neun Neuzugängen, Antonio Fian, Franz Friedrich, Martin Lechner, Gertrud Leutenegger, Charles Lewinsky, Matthias Nawrat, Christoph Poschenrieder, Lutz Seiler und Michael Ziegelwagner.
Dieser frische Wind ist der auch in diesem Jahr frisch gekürten Jury zu verdanken. Jens Bisky, Katrin Hillgruber, Frithjof Klepp, Susanne Link, Manfred Papst, Wiebke Porombka und Annemarie Stoltenberg debattieren in ihr um den Preis. Mögen die besseren Argumente gewinnen.
Einen Vorgeschmack auf die nominierten Titel bietet der Schnelldurchlauf, dem die nach Verlagen sortierte Liste folgt.
Lukas Bärfuss schreibt über den Suizid seines Bruders. Ulrike Draesner behandelt in ihrem Familienroman die Auswirkungen von Krieg und Flucht. Antonio Fian legt eine rabenschwarze Gesellschaftssatire vor, während Franz Friedrichs Roman genauso skurril wie sein Titel anmutet. Nicht weniger Skurriles spürt Thomas Hettche in der Gartenkunst zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf. Esther Kinsky lässt sich von Beobachtungen in der Landschaft Londons zu inneren Reflexionen inspirieren. Angelika Klüssendorf legt eine Fortsetzung ihres Vorgängerromans vor. Michael Köhlmeier, der uns schon in zwei gewaltigen Romanen durch die Geschichte des 20. Jahrhunderts führte, lässt nun Churchill und Chaplin am Strand spazieren. Einen Entwicklungsroman zwischen Krimi und Abenteuer legt Martin Lechner vor. Während Gertrud Leutenegger ein historisches Ereignis für eine Melancholie des Begegnens und Verlierens nutzt, instrumentalisiert Charles Lewinsky das Jahr 1944 für seine aberwitzige Eskapade. Als Liebe im Prekariat ließe sich Thomas Melles Roman bezeichnen. Matthias Nawrat widmet sich einer familiären Recyclingfirma der absonderlichen Art. Auch Christoph Poschenrieder geht in der Zeit zurück, sein Roman handelt von der Schwierigkeit homosexuellen Lebens im Jahr 1914. Was die Ritter einer Kneipentafel auf Hiddensee mit einer Flucht aus der DDR zu tun haben, erzählt Lutz Seiler. Saša Stanišić hat mit seiner Geschichte über Schauder und Schönheit der Uckermark bereits den Leipziger Buchpreis gewonnen. Der Roman über einen Wal und einen wundersam gewandelten Manager von Heinrich Steinfest scheint der diesjährige Tribut ans Populäre. Dass für den Deutschen Buchpreis ausgerechnet Marlene Streeruwitz’ Buch über eben dieses Literaturevent nominiert wurde, ist nicht ohne Pikanterie. Die zweite Satire auf der Liste stammt, wie sollte es anders sein, natürlich auch von einem Österreicher. Es ist Michael Ziegelwanger, der die „vollumfängliche Daseinsunsicherheit“ einer jungen Frau mit einer monarchistischen Geheimloge konfrontiert. Feridun Zaimoglu hingegen schreibt natürlich über die Liebe, die er diesmal auf zwei Desillusionierte treffen lässt. Möge der beste Roman gewinnen.
Literaturverlag Droschl, Graz:
Antonio Fian: Das Polykrates-Syndrom (Februar 2014)
Diogenes Verlag, Zürich:
Christoph Poschenrieder: Das Sandkorn (Februar 2014)
S. Fischer Verlag, Frankfurt:
Franz Friedrich: Die Meisen von Uusimaa singen nicht mehr (August 2014)
Marlene Streeruwitz: Nachkommen. (Juni 2014)
Hanser Literatur Verlag, München:
Michael Köhlmeier: Zwei Herren am Strand (August 2014)
Kiepenheuer & Witsch, Köln:
Thomas Hettche: Pfaueninsel (September 2014)
Angelika Klüssendorf: April (Februar 2014)
Feridun Zaimoglu: Isabel (Februar 2014)
Luchterhand, München:
Ulrike Draesner: Sieben Sprünge vom Rand der Welt (März 2014)
Saša Stanišić: Vor dem Fest (März 2014)
Matthes & Seitz, Berlin:
Esther Kinsky: Am Fluß (August 2014)
Nagel & Kimche, Zürich:
Charles Lewinsky: Kastelau ( August 2014)
Piper Verlag, München:
Heinrich Steinfest: Der Allesforscher (März 2014)
Residenz Verlag, St. Pölten:
Martin Lechner: Kleine Kassa (Residenz, Februar 2014)
Rowohlt Verlag, Berlin:
Matthias Nawrat: Unternehmer (März 2014)
Rowohlt.Berlin, Berlin:
Thomas Melle: 3000 Euro (August 2014)
Michael Ziegelwagner: Der aufblasbare Kaiser (März 2014)
Suhrkamp Verlag, Berlin:
Gertrud Leutenegger: Panischer Frühling (März 2014)
Lutz Seiler: Kruso (September 2014)
Wallstein Verlag, Göttingen:
Lukas Bärfuss: Koala (März 2014)
Weitere Informationen bietet die Seite des Deutschen Buchpreises.