Alpha-Preis 2014 – Die Shortlist

Alpha, Beta und die anderen

Auf den Al­pha-Preis bin ich im letz­ten Jahr auf­merk­sam ge­wor­den. Al­pha? Nein, nix Sek­te und Sci­ence, wo­bei sich das ja eh per de­fi­ni­tio­nem aus­schließt, son­dern Glücks­spiel und Li­te­ra­tur. Das passt! Ist es nicht oft ei­ne Fra­ge des Glücks, wer auf wel­chen Li­te­ra­tur­preis­lis­ten lan­det und ist nicht letzt­end­lich al­les ei­ne Fra­ge des Geldes?

So er­scheint es fast fol­ge­rich­tig, daß die Ca­si­nos Aus­tria heu­er zum fünf­ten Mal das li­te­ra­ri­sche Glücks­spiel um den Al­pha-Preis aus­schrei­ben. Er­son­nen von Vor­stands­di­rek­tor Mag. Diet­mar Ho­scher (ein wei­te­rer Grund im nächs­ten Le­ben die Ge­burt in Ös­ter­reich an­zu­stre­ben, dort trägt man den Ma­gis­ter als Ti­tel) för­dert der Preis Nach­wuchs­ta­len­te (sic!). Ein­zi­ge Be­din­gun­gen, sie müs­sen ech­te Ös­ter­rei­cher oder Wahl­ös­ter­rei­cher sein, not­falls reicht auch ein ös­ter­rei­chi­scher Ver­lag und sie dür­fen nicht mehr als drei (sic!) li­te­ra­ri­sche Ver­öf­fent­li­chun­gen aufweisen.

Ist dies er­füllt, kön­nen sie ihr Buch ein­rei­chen. Aus der Flut an Li­te­ra­tur trifft „Al­pha-Preis 2014 – Die Short­list“ weiterlesen

Alpha-Preis 2013

Literatur und Glücksspiel

Die ge­gen­sei­ti­ge Wahr­neh­mung li­te­ra­ri­scher Neu­erschei­nun­gen scheint in­ner­halb der deutsch­spra­chi­gen Nach­bar­län­der noch im­mer dis­kre­pant zu sein. Dies stell­te jüngst die ös­ter­rei­chi­sche Li­te­ra­tur­wis­sen­schaft­le­rin Da­nie­la Stri­gl, die in die­sem Jahr den Al­fred-Kerr-Preis für Li­te­ra­tur­kri­tik er­hielt, in ei­nem In­ter­view her­aus. Auch im Bei­trag des ös­ter­rei­chi­schen Li­te­ra­tur­ge­flüs­ters zum Deut­schen Buch­preis kling die­ses an.

Der­art sen­si­bi­li­siert weck­te die Be­kannt­ga­be der Short­list des ös­ter­rei­chi­schen Buch­prei­ses Al­pha be­son­de­res In­ter­es­se bei mir. Es han­delt sich um neun Ti­tel von neun Au­toren, die mir zum Teil durch ih­re Le­sun­gen im Bach­mann­wett­be­werb be­kannt sind, dar­un­ter Isa­bel­la Fei­mer, Ju­lya Ra­bi­no­wich und Cor­du­la Si­mon. „Al­pha-Preis 2013“ weiterlesen

Buchpreisfieber — dbp 2013

Zum neunten Mal ganz neu

Logo_dbp_13_RGBIn ei­ner Wo­che jäh­ren sich die Prä­li­mi­na­ri­en zum Deut­schen Buch­preis und zum neun­ten Mal wird ei­ne Long­list mit zwan­zig Kan­di­da­ten  veröffentlicht.

Das Er­eig­nis konn­te im letz­ten Jahr be­son­ders we­gen der Ti­tel­aus­wahl nur zö­gern­de Be­geis­te­rung in mir aus­lö­sen. Dies­mal je­doch ent­facht die In­itia­ti­ve ei­ner Blog­ge­rin neu­es Feu­er. Auf Ma­ra Gie­se von buzz­al­drins bü­cher geht die Idee ei­nes ge­mein­sa­men Blog­pro­jekts zum Deut­schen Buch­preis zu­rück. Fünf Blog­ge­rin­nen wer­den über den Preis be­rich­ten und Re­zen­sio­nen zu den Ti­teln der Long­list ver­öf­fent­li­chen. Von den Or­ga­ni­sa­to­ren des Prei­ses durch Ma­te­ri­al und Ver­lin­kun­gen un­ter­stützt freu­en wir uns über vie­le Buch­preis­in­ter­es­sier­te, die au­ßer bei buzz­al­drins bü­cher und mir auf den Blogs das graue So­fa, Li­te­ra­tu­ren und Schö­ne Sei­ten mit­le­sen und dis­ku­tie­ren können.

Für al­le Buch­preis-Beg­in­ner sei hier kurz das Wich­tigs­te zu­sam­men­ge­fasst. „Buch­preis­fie­ber — dbp 2013“ weiterlesen

TDDL 2013 – Die Preisträger des 37. Bachmann-Wettbewerbs

Gewinnerglück

Der größ­te Ge­win­ner in die­sem Jahr ist wohl der Wett­be­werb selbst. „Bach­mann bleibt“. ORF-Ge­ne­ral­di­rek­tor Alex­an­der Wra­betz, der die Ab­schaf­fung an­ge­droht hat­te, hob die­se vor der Preis­ver­ga­be wie­der auf und freu­te sich sehr über den Applaus.

Vor der Ju­ry­ab­stim­mung zeig­te ein Vi­deo mit Aus­schnit­ten der letz­ten Le­sungs­ta­ge die Kan­di­da­ten der en­ge­ren Wahl. Sie fiel auf La­ris­sa Boeh­ning, Ro­man Ehr­lich, Ve­re­na Günt­ner, Heinz Hel­le, Ben­ja­min Maack, Joa­chim Mey­er­hoff und Kat­ja Pe­trows­ka­ja. Über Mey­er­hoff bin ich über­rascht, ich hät­te eher Cor­du­la Si­mon auf der Short­list vermutet.

Die wei­te­ren Ab­stim­mun­gen ver­lie­fen vor­her­seh­bar. Kat­ja Pe­trows­ka­ja TDDL 2013 – Die Preis­trä­ger des 37. Bach­mann-Wett­be­werbs“ weiterlesen

Schwindelnde Höhen der Literatur

In ihrem neuen Roman „Schwindlerinnen“ spielt Kerstin Ekman mit den Lügen der Schriftsteller

Ekman, SchwindlerinnenVom Schwin­del be­fal­len weiß man nicht wo oben und un­ten. Ob links oder rechts, al­les dreht sich, die Ori­en­tie­rung ist ver­wirrt, manch­mal ganz und gar ver­lo­ren. Als Schwin­del wer­den auch Lü­gen be­zeich­net, harm­lo­se, läss­li­che. Sie of­fen­ba­ren nicht je­dem al­les, ber­gen min­des­tens ein Ge­heim­nis, sei es auch nur ein klei­ner Trick. Aber wer kann schon oh­ne die­se klei­nen Tricks le­ben?  Sie die­nen der Le­bens­be­wäl­ti­gung und nicht sel­ten sind sie ein wich­ti­ger Be­stand­teil des Me­tiers. Auch Schrift­stel­ler be­die­nen sich als Il­lu­si­ons­künst­ler krea­ti­ver Schwin­de­lei­en, die nicht nur ihr Werk son­dern auch ih­re Per­son be­tref­fen. Wenn auch der Groß­teil der Schreib­künst­ler in­zwi­schen ihr öf­fent­li­ches Ego als Be­stand­teil der Er­folgs­stra­te­gie be­greift, so gibt es im­mer noch Au­toren, die ih­re An­ony­mi­tät zu wah­ren wis­sen. Das Ge­heim­nis um ih­re Per­son scheint der Selbst­schutz, oh­ne den kei­ne Kunst ent­ste­hen kann.

So er­geht es auch Bab­ro An­ders­son, kurz Bab­ba, der Schrift­stel­le­rin in Kers­tin Ek­mans „Schwind­le­rin­nen“. Von un­at­trak­ti­vem Äu­ße­ren be­wegt sich die in ei­ner Ar­bei­ter­fa­mi­lie groß­ge­wor­de­ne Bab­ba un­si­cher zwi­schen Men­schen. Als stu­dier­te Phi­lo­lo­gin be­vor­zugt sie die Ge­gen­wart der Bü­cher. Sie ar­bei­tet als Bi­blio­the­ka­rin in der Stadt­bü­che­rei, auf de­ren Kar­tei­kar­ten sie ih­re Schreib­ideen no­tiert. Als sie ei­nes Ta­ges aus die­sen Ein­fäl­len ei­ne Ge­schich­te spinnt, schickt ihr Freund die­se oh­ne ihr Wis­sen an ei­ne Zeit­schrift. Das Ab­leh­nungs­schrei­ben of­fen­bart ihr nicht nur den Ver­rat, son­dern eben­so die Er­kennt­nis, daß sie, Bab­ba An­ders­son, so wie sie wirk­lich ist, nie­mals als Schrift­stel­le­rin zu Ruhm ge­lan­gen kön­ne. Da­zu sei sie nun mal ein­fach we­der flott noch at­trak­tiv ge­nug. „Leu­te, die schrift­stel­lern­de Frau­en rühm­ten, lieb­ten die­ses Wort. Frau­en soll­ten flott schrei­ben. Und rank und schlank sein.“

Hier kommt die an­de­re Haupt­fi­gur des Ro­mans ins Spiel, Lil­lem­or Troj. Sie er­füllt die auf­ge­stell­ten Kri­te­ri­en, wes­halb Bab­ba sie zur Stell­ver­tre­te­rin wählt. Sie wird ihr öf­fent­li­ches Ali­as, un­ter ih­rem Na­men und mit ih­rem Ge­sicht er­scheint Bab­bas Li­te­ra­tur. Lil­lem­or ist nicht nur äu­ßerst vor­zeig­bar. Als Toch­ter aus gu­tem Haus weiß sie sich auf öf­fent­li­chem Par­kett zu be­we­gen. Per­fekt in Mo­de wie Ma­nie­ren be­wäl­tigt sie den schrift­stel­le­ri­schen Small­talk. Zu­dem tippt und re­di­giert sie, was Bab­ba auf die Sei­ten des Spi­ral­blocks schreibt. Lil­lem­or ach­tet auf Lo­gik und Struk­tur und spä­tes­tens, wenn bei­de Frau­en die Fe­ri­en­wo­chen in ei­ner ent­le­ge­nen Ka­te im Wald ver­brin­gen, wird Lil­lem­or zu Bab­bas Co-Autorin.

Al­ler­dings er­for­dert ih­re ge­mein­sa­me Au­tor­schaft im­mer stär­ke­re Ge­heim­hal­tung. Nicht nur die Män­ner der bei­den er­wei­sen sich als Ge­fahr, auch ih­re ei­ge­nen Müt­ter. Im­mer ver­deckt vor­der­grün­dig die Wahr­heits­lie­be die ei­gent­li­chen ego­is­ti­schen An­trie­be der Neu­gie­ri­gen. Den­noch ge­lingt es Bei­den die Preis­ga­be ih­res Tricks zu ver­hin­dern bis sie selbst zu Ver­rä­tern wer­den. In ih­rem neu­es­ten Ro­man­ent­wurf ent­hüllt Bab­ba die wah­re Ge­schich­te und sen­det sie un­ter ih­rem ei­ge­nen Na­men an ei­nen Ver­lag. Die­ser ver­mu­tet Lil­lem­or Troj hät­te un­ter Pseud­onym ih­re Bio­gra­phie ver­fasst und ver­mit­telt den Text an de­ren Ver­lag, der wie­der­rum die ver­meint­li­che Au­torin da­mit konfrontiert.

Hier setzt „Schwind­le­rin­nen“ ein. Wir le­sen mit Lil­lem­or Ka­pi­tel um Ka­pi­tel der un­ge­heu­er­li­chen Wahr­heit, die Bab­ba An­der­son in der Ich-Per­spek­ti­ve er­zählt. Da­zwi­schen er­fah­ren wir, was Lil­lem­or dar­über denkt. Ih­re Ver­si­on schil­dert der all­wis­sen­de Er­zäh­ler. Die Ge­gen­über­stel­lung die­ser bei­den Wahr­hei­ten er­zeugt nicht nur den gro­ßen Reiz der Kon­struk­ti­on, son­dern auch ei­ne Span­nung, die durch den im­mer­hin an die 500 Sei­ten star­ken Ro­man trägt. Kers­tin Ek­man, die in die­sem Jahr acht­zig Jah­re alt wird, und de­ren voll­stän­di­ger Na­me Kers­tin Lil­lem­or Hjorth Ek­man aus Grün­den der Wahr­heit nicht un­er­wähnt blei­ben soll, hat ei­nen um­fang­rei­chen Ro­man ge­schrie­ben. Im­mer­hin schil­dert sie über sech­zig Jah­re ei­nes er­folg­rei­chen Au­torin­nen­le­bens oder bes­ser drei­er er­folg­rei­cher Au­torin­nen­le­ben, Bab­bas, Lil­lem­ors, wie ihr ei­ge­nes, wel­ches in Fa­cet­ten in de­nen ih­rer Stell­ver­tre­te­rin­nen auf­scheint. Wie Lil­lem­or wur­de auch Ek­man zum Mit­glied der Schwe­di­schen Aka­de­mie er­ko­ren, be­sitzt al­so aus­rei­chen­de In­for­ma­ti­on um die­sen Aspekt in ih­rer Li­te­ra­tur­be­triebs­sa­ti­re sub­til aus­zu­leuch­ten. Sie zeigt, wie nicht nur in die­sem Gre­mi­um Prei­se ver­ge­ben und an­hand wel­cher Kri­te­ri­en Preis­trä­ger ge­macht wer­den. In die­sem letzt­end­lich po­li­ti­schen Ge­schäft zählt mehr Schein als Sein. Dies ist wahr­lich kei­ne neue Er­kennt­nis, wird aber in die­sem Ro­man sehr schön in Sze­ne ge­setzt. Gleich­zei­tig ge­lingt Ek­man ein Ge­sell­schafts­pan­ora­ma, in dem sie ih­re Hel­din­nen von den re­strik­ti­ven Fünf­zi­gern über die Al­ter­na­tiv­kul­tur der nach­fol­gen­den Jahr­zehn­te bis in die heu­ti­ge Zeit be­glei­tet. In ei­ne Zeit, in der das Le­sen ei­nes rich­ti­gen Bu­ches zu ei­nem sub­ver­si­ven Akt wer­den kann, vor des­sen Fol­gen Bab­ba An­der­son warnt:

Li­te­ra­tur schä­digt das Ge­hirn und ver­min­dert die Fruchtbarkeit.“

Kers­tin Ek­man, Schwind­le­rin­nen, übers. v. Hed­wig Bin­der, Pi­per Ver­lag, 1. Aufl. 2012