In „Lincoln im Bardo“ schlüpft Saunders innovative Erzähltechnik in die sensible, selbstkritische Seele des Präsidenten
„Bleibt, beschwor ich. Er ist nicht unerreichbar für Eure Hilfe. Ganz und gar nicht. Ihr könnt noch viel Gutes für ihn tun. Ihr könnt jetzt sogar hilfreicher für ihn sein als jemals an jenem vormaligen Ort.
Denn seine Ewigkeit hängt in der Schwebe, Sir. Wenn er bleibt, ist das Elend, das ihn überwältigen wird, jenseits Eurer Vorstellungskraft.“
Einfach betrachtet handelt es sich bei George Saunders Roman um ein hochemotionales Buch. Es umschreibt die Trauer eines Vaters, der seinen Sohn gerade zu Grabe getragen hat. 11 Jahre war dieser alt, als er der Diphterie erlag. Es ist das Jahr 1862, der Tote heißt William, sein Vater Abraham Lincoln. Mitten im Amerikanischen Bürgerkrieg verliert Lincoln seinen Lieblingssohn. Er bestattet ihn in einer der Gruft in Georgetown, doch Ruhe finden sie beide nicht, denn Geister umschwirren sie. Diese verkennen ihren Zustand und hängen im Bardo fest, einem Schwebezustand zwischen tot und ganz tot oder zwischen Nirwana und Wiedergeburt, wenn man bei dem von Saunders gewählten Begriff aus der tibetanischen Mythologie bleibt.
Die Gestalten tummeln sich um Willie, sie sind dem Knaben zugewandt, dessen Geist ratlos und verlassen auf seiner „Krankenkiste“ sitzt. Der Vater kehrt in der Nacht nach der Beerdigung zum Friedhof zurück, auch er kann Willies Zustand nicht akzeptieren. Er befreit den Körper seines Sohnes aus „Flitzschwebend occupiert“ weiterlesen