Antonio Muñoz Molina erzählt in „Tage ohne Cecilia“ vom Abdriften eines unzuverlässigen Erzählers
„Dank der Aplysia, eines behäbigen Tieres, das nur über fünfhundert Neuronen und höchstens siebentausend Synapsen verfügt, konnte der Große Chef von Cecilias Labor die molekularen Mechanismen zur Bildung von Kurz- und Langzeitgedächtnis entdecken. Cecilia hat mich gelehrt, meine genetischen Familienbande mit Riesenschnecken, weißen Ratten und Fruchtfliegen zu akzeptieren. In ihrer primitiven Trägheit reagiert die Aplysia auf Schmerz und lernt aus den Stromschlägen. Ich frage Cecilia, was die Schnecke in diesem Augenblick fühlt, wie sie die Welt wahrnimmt, was sie sieht, hört und fühlt und ob sie sich an Dinge erinnern kann, ob sie schläft oder wacht, ob sie träumt.“
Seine Nerven und Synapsen, sein Kurz- und Langzeitgedächtnis, kurz die komplexen Vorgänge seines Hirns machen der Hauptfigur in Antonio Muñoz Molinas Roman „Tage ohne Cecilia“ zu schaffen. Die innere Stimme des Protagonisten, erst am Ende erfahren wir seinen Namen, Bruno, reflektiert sein Erleben und Erinnern, seine Sehnsüchte und Träume. Es handelt sich um einen äußerst unzuverlässigen Erzähler, was im Laufe des Romans, der auf knapp 300 Seiten hohe Komplexität entfaltet, immer deutlicher wird. Neben der Frage, wo zum Teufel Cecilia bleibt, entsteht ein „Vom Warten zur Schnecke gemacht“ weiterlesen