Gunther Geltinger transformiert in Moor die Griechische Tragödie
„Du sinkst augenblicklich ein. Spürst unter dir die träge Last der meterdicken Torfschwämme, den schweren, fetten Leib, der dich umarmt. Ich schließe dich ein, in Wasser, in Erde oder ein Gemenge aus beidem: feuchte Krume, zäher Wurzelfilz, verzweigte Adern über halbverrotteten Ästen wie Knochen, darunter das Herz der Tiefe, breiig, kalt pulsierend, noch vor zweihundert Jahren fürchteten mich die Fenndorfer als schwarzes, schleimiges Tier, das unter den Häusern lebt und ihre Kinder verschlingt.“
Mit dem Moor verbinden wir Geheimnis und Gefahr. Die Gedanken an Moorleichen, Zeugen längst vergangener Rituale, machen eine Wanderung über den Knüppeldamm zu einem unheimlichen Abenteuer. Was, wenn man vom Weg abkommt und versinkt? Muss man vermodern, wenn man sich nicht am eigenen Schopf wieder heraus ziehen kann? Doch das Moor birgt nicht nur Unheimliches, es bietet Schutz, besonders den Lebewesen, die in der Zivilisation keinen Platz finden.
In diesem Biotop leben die Libellen, die Begleiter Dions, des 13-jährigen stotternden Protagonisten in Gunther Geltingers neuem Roman Moor. Das Moor ist nicht nur Dions Heimat, es ist „Metamorphosen im Moor“ weiterlesen