Literaturclub und das neue Lesenswert
Nachdem vor geraumer Zeit der Literaturclub des Schweizer Fernsehens und jetzt aktuell auch Literatur im Foyer ein Relaunch erfahren haben oder, wie es Paul Jandl nennen würde, aufgepimpt, eben verschönert, modernisiert, attraktiver gemacht wurden, lohnt sich ein Blick auf die sehenswerten Literatursendungen im Fernsehen.
Im Literaturclub hat sich seit fast einem Jahr manches verändert. Iris Radisch hat die Sendung verlassen und die Moderation an Stefan Zweifel abgegeben. Er diskutiert mit dem festen Ensemble von Elke Heidenreich, Hildegard E. Keller und Rüdiger Safranski, die als Autoren und fernsehtaugliche Literaturkritiker dem Publikum bekannt sind. Alles findet nach wie vor in der entspannten Atmosphäre des Züricher Papiersaals statt. Die beiden Tresen, an denen Moderatorin und Gast den Kritikern gegenüber saßen, wurden durch eine traditionelle Runde ersetzt. Meiner Meinung nach ist dies immer noch die beste Form für ein Gespräch ohne Hierarchien. Aufgegeben wurde auch die Vorstellung der Romane via Film. Die so gewonnene Zeit wird in Lesungen investiert.
Der neue Moderator, Stefan Zweifel, agiert eher zurückhaltend. Sein Wandel vom Kritiker mit dem eigenwilligen Blick zum Vermittler zeigt auch sein Äußeres, als hätte er mit dem Pullover ein Teil seines individuellen Stils abgelegt. Auch erscheinen mir seine Diskussionsbeiträge kürzer als die der anderen. Zweifel wirkt, als wolle er alles richtig machen. Frau Heidenreich versucht, ihn manchmal etwas aus der Reserve zu locken, was bereits von einigen als vorlaut empfunden wurde. Im Gegensatz zu ihrer vorherigen Sendung Lesen äußert sie im Literaturclub jedoch auch Kritik. Das gefällt mir, auch wenn ich diese keineswegs immer teile. Rüdiger Safranski weiß Dinge, die andere nicht wissen, was er manchmal in aller Ausführlichkeit darlegt, und Hildegard Keller findet meist in jedem Buch einen guten Kern.
Insgesamt ist diese Runde immer noch meine Lieblingsliteratursendung, was auch an ihrer Dauer liegt. In 90 Minuten lässt sich einfach viel besser eine inhaltliche Diskussion führen als in einer halben Stunde. Vielleicht ließen sich die Rollen anders verteilen. Zweifel würde wieder zum kampflustigen Kritiker. Keller scheint mir in ihrem verständnisvollen Wohlwollen ideal als Moderatorin. Auch Rainer Moritz, der anfangs als Vertreter Safranskis mitdiskutierte, wäre als erprobter Diskussionsleiter geeignet. Dies könnte die Runde beleben und die Diskussion verliefe eventuell kontroverser. Es muss ja nicht im Stil von MRR geschehen.
Die sporadisch stattfindende Kritikerrunde bei Literatur im Foyer mit Ijoma Mangold, Thea Dorn, Denis Scheck und Felicitas von Lovenberg zeigt, wie man respekt- und humorvoll eine andere Meinung äußern kann. Auch diese Sendung wurde verändert.
Sie findet nun im Mainzer Kulturzentrum statt, wo nach wie vor Thea Dorn und Felicitas von Lovenberg mit Autoren über ihre Bücher sprechen. Die Diskussionsrunde wurde allerdings zugunsten neuer Elemente gekürzt. Darunter ein Prominenter, der sein Leben in drei Büchern darstellt. Ein Lesenswert-Fragebogen, mit dem sich Autoren outen dürfen sowie ein Autoren-Steckbrief. Es scheint, als hätte das verworfene Konzept des Schweizer Literaturclubs, der neben Filmeinspielern auch Autorenporträts und Lesetipps mit dem spaßigen Titel Mit wem schlafen Sie? zeigte, den SWR inspiriert.
Der neue Name Lesenswert wirkt affirmativ und programmatisch, kommt aber auch verständnisvoll und ein wenig sozialpädagogisch daher. Zudem erinnert es mich an das kritikfreie Lesen von Frau Heidenreich.
Die Kürzung der Diskussionszeit bedauere ich jetzt schon. Ob das neue Konzept der Literarischen Wundertüte, wie es der Sender selbst nennt, taugt, davon kann man sich am 12. September überzeugen.
Lesenswert am 12. September mit Thea Dorn, Rüdiger Safranski und Bibiana Beglau.
Der nächste Literaturclub beschäftigt sich am 10. September mit Romanen von Urs Widmer, Joël Dicker, John Williams und Clarice Lispector.
Außerdem sehenswert:
Druckfrisch mit Dennis Scheck mit der aktuellen Sendung vom 1. September.
Das Blaue Sofa mit Wolfgang Herles, die nächste Sendung folgt am 13. September
Danke für die freundliche Beschreibung. Nur 2 Anmerkungen: Nein, um Himmelswillen, wir wurden nicht gekürzt! Die Kritikerrunden sind weiterhin 60 Minuten & die Regelsendungen weiterhin 30′. Und Dennis schreibt sich Denis Scheck.
Läuft morgen um 23.45 im SWR Fernsehen. Und in der Mediathek.
Danke für die Rückmeldung. Es freut mich, daß die Sondersendung mit der Kritikerrunde nach wie vor 60 Minuten läuft.
Aber in der Regelsendung wird doch die reine Diskussionszeit, das Gespräch der Moderatorin mit einem oder mehreren Autoren, gekürzt, sonst gäbe es kaum Platz für die neuen Bestandteile. Ich bin auf jeden Fall gespannt auf das neue Konzept und werde mir die Sendung ansehen.
Das überflüssige n wird selbstverständlich gestrichen.