Literatur versus Religion

Norbert Gstrein erzählt in Eine Ahnung vom Anfang von der Last der Verantwortung

DBLIch hat­te ihm vom ers­ten Schul­jahr an, in dem ich sein Leh­rer war, Bü­cher ge­lie­hen, und wenn man woll­te, fand man dar­un­ter auch Ti­tel, die an­ge­tan wa­ren, ihn für ei­nen nor­ma­len All­tag un­taug­lich zu ma­chen, aber Hun­der­te, Tau­sen­de von Leu­ten lie­ben die­sel­ben Bü­cher und wis­sen da­mit um­zu­ge­hen, füh­len sich je­den­falls nicht auf­ge­ru­fen, das ei­ge­ne Le­ben zu sa­bo­tie­ren, wie er es ge­tan hat.“ S. 45

Bü­cher kön­nen hel­fen, die gro­ßen Sinn­fra­gen zu be­ant­wor­ten, die sich fast je­dem ab Be­ginn der Pu­ber­tät stel­len. Ei­ne Al­ter­na­ti­ve jen­seits der Li­te­ra­tur bie­tet die Re­li­gi­on. Wie ein Gleich­nis über Macht und Ohn­macht die­ser bei­den Ima­gi­na­ti­ons­wel­ten und den Des­il­lu­sio­nie­run­gen, de­nen sie ge­gen­über der Rea­li­tät aus­ge­setzt sind, liest sich Nor­bert Gst­reins Ro­man Ei­ne Ah­nung vom An­fang. Er zeigt auch die Schwie­rig­kei­ten des Er­in­nerns, das im Wunsch Kau­sa­li­tä­ten zu kon­stru­ie­ren, sub­jek­ti­ver In­ter­pre­ta­ti­on und Psy­cho­lo­gi­sie­rung unterliegt.

Gstrein_24334_MR.inddSo er­geht es dem Deutsch- und Ge­schichts­leh­rer An­ton, als er den Be­richt über ei­ne Bom­ben­dro­hung liest und auf dem un­schar­fen Bild der Über­wa­chungs­ka­me­ra ei­nen ehe­ma­li­gen Schü­ler zu er­ken­nen glaubt. Da­ni­el, hy­per­sen­si­bel und hoch­be­gabt, war ihm nicht nur als sehr gu­ter Schü­ler auf­ge­fal­len, son­dern durch ein paar ge­mein­sam ver­brach­te Som­mer­wo­chen ver­traut ge­wor­den. Da­ni­els zö­ger­li­che Ori­en­tie­rung nach dem Ab­itur, sein re­li­giö­ser Tick und sei­ne Schwie­rig­kei­ten mit Frau­en, schei­nen Grund und Fol­ge für Da­ni­els Aus­der­welt­ge­fal­lens­ein. Doch steckt er auch hin­ter dem an­ge­droh­ten Attentat?

In den drei Tei­len sei­nes Ro­mans schil­dert Gst­rein in at­mo­sphä­ri­scher Spra­che die äu­ße­ren Ge­ge­ben­hei­ten ei­nes ab­ge­le­ge­nen Na­tur­idylls und die in­ne­ren Zu­stän­de von Frei­heit und Re­strik­ti­on. Da­mals im Som­mer ge­noss An­ton die Ein­sam­keit auf ei­nem Müh­len­grund­stück am Fluss. Dort­hin zog er sich zu­rück, an den Nach­mit­ta­gen kurz vor den Som­mer­fe­ri­en, um „Li­te­ra­tur ver­sus Re­li­gi­on“ weiterlesen

Der Tennisballwecker des Zeitungsdompteurs

Existenzialistisches Grauen in Markus Orths’ neuem Roman „Die Tarnkappe

Man ist in den Knast des Le­bens ge­bo­ren und ti­gert dar­in auf und ab, le­bens­läng­lich, und war­tet auf den Tag der Ent­las­sung, den Tod, man war­tet mit Schre­cken dar­auf und mit Sehn­sucht.“ (S. 100)

Auch Si­mon Bloch war­tet nur noch dar­auf, daß ihm sein ei­ge­ner Zie­gel auf den Kopf fällt. Der 45-jäh­ri­ge, vor kur­zem ver­wit­wet und als Be­schwer­de­be­schwich­ti­ger tä­tig, hat be­reits mit sei­nem Le­ben ab­ge­schlos­sen. Als ein­zi­ges Über­ra­schungs­mo­ment bleibt ihm die Rei­hen­fol­ge der ein­zeln ge­fal­te­ten Zei­tungs­blät­ter bei der mor­gend­li­chen Lek­tü­re im Bus.

Vor et­li­chen Jah­ren be­reits hat­te er sei­nen Le­bens­traum vom Film­kom­po­nis­ten auf­ge­ge­ben. Da­mals, bei der Be­ob­ach­tung ei­nes Paa­res, das in „ödes­ter Mit­tel­mä­ßig­keit“ bei Ap­fel­saft­schor­le und Kirsch-Ba­na­nen­saft sei­nen Im­pro­vi­sa­tio­nen in der Jazz­knei­pe Wal­fisch lausch­te. Er fühl­te sich ent­larvt, er­kann­te „Der Ten­nis­ball­we­cker des Zei­tungs­domp­teurs“ weiterlesen