Verbotene Liebe

In „Schneeflocken wie Feuer“ erzählt Elfi Conrad von früher

Er könn­te häss­lich sein, bö­se, ur­alt, es wür­de nichts än­dern. Kaum ei­ne Frau kann sich ei­nem sin­gen­den, Gi­tar­re spie­len­den Mann ent­zie­hen. Es spielt kei­ne Rol­le mehr, dass es ei­ne Wet­te war, dass ei­ne Halb­star­ke ih­re Rei­ze tes­ten woll­te, dass es sich um die Macht über ei­nen Vor­ge­setz­ten und die Ra­che ei­ner Ge­de­mü­tig­ten han­del­te. (…) Als ich nicht mehr an mich hal­ten kann, zie­he ich mei­ne San­da­let­ten aus. Sprin­ge auf und tan­ze. (…) Flie­gend durch­bre­che ich die ima­gi­nä­re Wand, von der die Gi­tar­ren­ak­kor­de, die Stim­me, der Mann um­ge­ben ist. Drin­ge ein. Der Mann auf dem Stuhl ist die­ser Be­sitz­ergrei­fung aus­ge­lie­fert, an sei­nen Au­gen kann ich es ablesen.“

Ein nicht un­we­sent­li­cher Teil der Tref­fen un­se­res Li­te­ra­tur­krei­ses ge­hört der Fra­ge, wor­über wir beim nächs­ten Mal dis­ku­tie­ren wol­len. Als Grund­la­ge die­nen uns Emp­feh­lun­gen und Lis­ten au­ßer­halb der ver­kaufs­ori­en­tier­ten des „Spie­gel“, die ich, wenn sie mit „Buch­re­port“ un­ter­ge­hen soll­te, nicht ver­mis­sen wer­de. Es lag al­so nicht fern den 30 Li­te­ra­tur­kri­ti­kern des SWR zu fol­gen, die „Schnee­flo­cken wie Feu­er“ von El­fi Con­rad im Sep­tem­ber auf den ers­ten Platz der Bes­ten­lis­te setz­ten. Dass ei­ne un­se­rer Mit­strei­te­rin­nen im glei­chen Al­ter wie die Au­torin ist und wie die­se als Kriegs­flücht­ling im Harz auf­wuchs, hat nicht un­we­sent­lich zu un­se­rer Ent­schei­dung bei­getra­gen. Un­gleich grö­ße­re bio­gra­phi­sche Über­ein­stim­mung weist Con­rad mit ih­rer Prot­ago­nis­tin Do­ra auf. Dass es sich bei „Schnee­flo­cken wie Feu­er“ um ei­nen aus­ge­spro­chen „Ver­bo­te­ne Lie­be“ weiterlesen

Literatur versus Religion

Norbert Gstrein erzählt in Eine Ahnung vom Anfang von der Last der Verantwortung

DBLIch hat­te ihm vom ers­ten Schul­jahr an, in dem ich sein Leh­rer war, Bü­cher ge­lie­hen, und wenn man woll­te, fand man dar­un­ter auch Ti­tel, die an­ge­tan wa­ren, ihn für ei­nen nor­ma­len All­tag un­taug­lich zu ma­chen, aber Hun­der­te, Tau­sen­de von Leu­ten lie­ben die­sel­ben Bü­cher und wis­sen da­mit um­zu­ge­hen, füh­len sich je­den­falls nicht auf­ge­ru­fen, das ei­ge­ne Le­ben zu sa­bo­tie­ren, wie er es ge­tan hat.“ S. 45

Bü­cher kön­nen hel­fen, die gro­ßen Sinn­fra­gen zu be­ant­wor­ten, die sich fast je­dem ab Be­ginn der Pu­ber­tät stel­len. Ei­ne Al­ter­na­ti­ve jen­seits der Li­te­ra­tur bie­tet die Re­li­gi­on. Wie ein Gleich­nis über Macht und Ohn­macht die­ser bei­den Ima­gi­na­ti­ons­wel­ten und den Des­il­lu­sio­nie­run­gen, de­nen sie ge­gen­über der Rea­li­tät aus­ge­setzt sind, liest sich Nor­bert Gst­reins Ro­man Ei­ne Ah­nung vom An­fang. Er zeigt auch die Schwie­rig­kei­ten des Er­in­nerns, das im Wunsch Kau­sa­li­tä­ten zu kon­stru­ie­ren, sub­jek­ti­ver In­ter­pre­ta­ti­on und Psy­cho­lo­gi­sie­rung unterliegt.

Gstrein_24334_MR.inddSo er­geht es dem Deutsch- und Ge­schichts­leh­rer An­ton, als er den Be­richt über ei­ne Bom­ben­dro­hung liest und auf dem un­schar­fen Bild der Über­wa­chungs­ka­me­ra ei­nen ehe­ma­li­gen Schü­ler zu er­ken­nen glaubt. Da­ni­el, hy­per­sen­si­bel und hoch­be­gabt, war ihm nicht nur als sehr gu­ter Schü­ler auf­ge­fal­len, son­dern durch ein paar ge­mein­sam ver­brach­te Som­mer­wo­chen ver­traut ge­wor­den. Da­ni­els zö­ger­li­che Ori­en­tie­rung nach dem Ab­itur, sein re­li­giö­ser Tick und sei­ne Schwie­rig­kei­ten mit Frau­en, schei­nen Grund und Fol­ge für Da­ni­els Aus­der­welt­ge­fal­lens­ein. Doch steckt er auch hin­ter dem an­ge­droh­ten Attentat?

In den drei Tei­len sei­nes Ro­mans schil­dert Gst­rein in at­mo­sphä­ri­scher Spra­che die äu­ße­ren Ge­ge­ben­hei­ten ei­nes ab­ge­le­ge­nen Na­tur­idylls und die in­ne­ren Zu­stän­de von Frei­heit und Re­strik­ti­on. Da­mals im Som­mer ge­noss An­ton die Ein­sam­keit auf ei­nem Müh­len­grund­stück am Fluss. Dort­hin zog er sich zu­rück, an den Nach­mit­ta­gen kurz vor den Som­mer­fe­ri­en, um „Li­te­ra­tur ver­sus Re­li­gi­on“ weiterlesen