Lüge oder Wahrheit

Madalyn — ein Lügengespinst von Michael Köhlmeier

Zu Be­ginn die­ses klei­nen, fa­bel­haft for­mu­lier­ten und äu­ßerst span­nend kon­stru­ier­ten Ro­mans er­zählt uns sein Au­tor, Mi­cha­el Köhl­mei­er, wor­auf tie­fes Ver­trau­en grün­den kann. Auf ei­ner Le­bens­ret­tung zum Bei­spiel wie in die­ser Ge­schich­te, ver­übt durch den Er­zäh­ler Se­bas­ti­an Lu­kas­ser an dem Mäd­chen Ma­da­lyn. Die­ser Akt steht am An­fang ei­ner be­son­de­ren Be­zie­hung zwi­schen ei­nem er­wach­se­nen Mann und ei­nem Kind. Köhl­mei­er in­sze­niert dies mit ei­ner Blut­la­che aus der Un­ter­arm­wun­de au­gen­fäl­lig als Blutsbruderschaft .

Die­ser Ein­stieg in den Ro­man er­laubt dem Au­tor ei­ne ta­ge­buch­ar­ti­ge Schil­de­rung des an­schlie­ßen­den Ge­sche­hens, oh­ne daß die un­glei­che Freund­schaft zu ei­ner Rah­men­hand­lung ver­küm­mert. De­ren Mot­to of­fen­bart sich in dem zu­nächst ver­wor­fe­nen Satz „Ein Herz ist dem an­de­ren ein Spie­gel“, denn das Ver­trau­en liegt nicht nur auf der Sei­te der Ge­ret­te­ten. Auch Lu­kas­ser ver­spürt die Be­son­der­heit die­ser Be­zie­hung, die aus­schließ­lich zwi­schen zwei Per­so­nen be­steht. Ihr Um­feld, die El­tern Ma­da­lyns oder die Freun­din des Schrift­stel­lers blei­ben au­ßen vor. Be­geg­nun­gen und Er­zäh­lun­gen im Stie­gen­haus las­sen Lu­kas­ser an der Ent­wick­lung Ma­da­lyns teil­neh­men. Sei­ne Sor­ge um sie wird ihm der­art zur lie­ben Ge­wohn­heit, daß er be­un­ru­higt ist, wenn der wö­chent­li­che Kon­takt ein­mal aus­bleibt. Ei­nes Ta­ges steht die mitt­ler­wei­le Vier­zehn­jäh­ri­ge vor sei­ner Tür und bit­tet ihn um ein Schrift­stel­ler­in­ter­view für die Schu­le. Bei sei­ner Er­läu­te­rung zu Er­zähl­per­spek­ti­ven, ent­geg­net das Mäd­chen oder bes­ser der Er­zäh­ler oder bes­ser Köhl­mei­er: „Ist es nicht am al­ler­bes­ten, Sie er­zäh­len die Ge­schich­te. Das tun Sie so­wie­so. War­um soll­ten Sie so tun, als ob je­mand an­de­rer die Ge­schich­te er­zählt?“ Die The­men des Ro­mans, Lü­ge und Wahr­heit, kün­di­gen sich an. Selbst­be­ken­nend äu­ßert auch der Schrift­stel­ler Lu­kas­ser: „Ich bin der, dem je­der glaubt, auch wenn er lügt.“ Mit dem Ein­tritt der drit­ten Haupt­per­son, Mo­ritz, der ers­ten Lie­be Ma­da­lyns, be­ginnt die of­fen­sicht­li­che Lü­ge­rei. Durch den Mund Ma­da­lyns, da Mo­ritz zu­nächst nur in de­ren Er­zäh­lun­gen auftritt.

Ei­ne Lü­ge macht das Mäd­chen auf den Jun­gen auf­merk­sam. Wäh­rend er die­se ent­tarnt, tischt er Ma­da­lyn ei­ne zwei­te auf. Die­se Un­wahr­heit wird eben­falls kurz dar­auf ge­stan­den, aber durch ei­ne neue er­setzt. Ein ge­schickt kon­stru­ier­tes Wech­sel­spiel von Lü­ge und Wahr­heit ent­spinnt sich, das den Ro­man zu ei­ner psy­cho­lo­gisch in­ter­es­san­ten und zu­gleich span­nen­den Lek­tü­re macht. Dar­um sei hier nicht mehr ver­ra­ten nur, daß die in den Au­gen ei­ner ver­lieb­ten Vier­zehn­jäh­ri­gen gra­vie­rends­te Lü­ge zum Show-down der Ge­schich­te führt.

Als klei­nes Schman­kerl hält der Wie­ner Köhl­mei­er et­li­che Spe­zia­li­tä­ten der ös­ter­rei­chi­schen Me­tro­po­le be­reit. Die Hand­lung führt über den Nasch­markt, an­lie­gen­den Parks und Stie­gen zum Kunst­ge­schäft Wolf­rum bei der Al­ber­ti­na, in die Buch­hand­lung An­na Jel­ler in der Mar­ga­re­ten­stra­ße, ins Re­stau­rant Neni, zur Karls­kir­che und zum Wien­mu­se­um. Dar­an er­freu­te sich die Le­se­rin eben­so, wie an den hier und da zu fin­den­den wun­der­ba­ren Wie­ner Wör­tern.

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