Hervé Le Tellier trifft in „Die Anomalie“ fast jeden Geschmack
Was ist dieses Buch? Ein Science-Fiction-Roman, der die Erdbevölkerung als Hologramm entlarvt? Ein Bestseller, der mit genialem Genremix den Mainstreamgeschmack trifft? Oder ein Werk der Gruppe OuLiPo, deren Autoren sich experimenteller Literatur widmen und beispielsweise Romane ohne E verfassen? Vielleicht ist „Die Anomalie“ alles zusammen. Der neue Roman von Hervé Le Tellier wurde 2020 mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet und seit seiner Übersetzung durch Romy und Jürgen Ritte in Literatursendungen wie im Feuilleton eher rauf als runter diskutiert.
Der Inhalt lässt sich an seiner Konstruktion kurz umreißen. In Teil Eins stellt Le Tellier die Figuren vor, die neben zahlreichen weiteren die Hauptrollen in seinem Roman spielen. Die unterschiedlichen Charaktere sind insofern interessant, als sie unterschiedliche Leservorlieben erfüllen. Das Geschäft eines kaltblütigen Auftragskillers reiht sich an einen Aufstieg durch Bildung und natürlich darf auch die Liebe nicht fehlen. Diese tritt in üblichen Variationen auf. Die junge, schöne, selbstbewusste, aber in schwierigen Umständen lebende Frau mit dem alten, weniger schönen, dafür wohlhabenden Mann gibt es ebenso wie die beiden verkopften Wissenschaftler, die ihre Gefühle, vor allem die füreinander, noch entdecken müssen. Alle Protagonisten sind als Passagiere eines Flugzeugs oder als Wissenschaftler von der Anomalie betroffen, die sich als „Flug durch die Zitatenfülle“ weiterlesen