Das 13. Kapitel
Schwimmen ist für Tsukuru mehr Meditation als sportlicher Wettkampf und so denkt er lange über die letzte Begegnung mit Sara nach. Ihr Kommentar zu seiner Erektionsstörung, „In dir steckt etwas fest, und das blockiert den natürlichen Fluss.“ , bringt Tsukuru dazu, über sich selbst nachzudenken. Er trinkt nicht, raucht nicht, lebt bescheiden und rechtschaffen, ist gesund, normalgewichtig, leidet nie unter Krankheit oder sonstigem Mangel. In diesem unaufgeregten Leben waren die Freunde das Wertvollste, was er je besessen hat. ‑Und das Übelste, möchte man hinzufügen.-
Jetzt ist allerdings auch Sara für ihn wichtig. Wenn nur nicht sein sexuelles Versagen gewesen wäre. Vielleicht ist er, so Tsukuru, doch homosexuell? Genau genommen denkt er, „Vielleicht ist es Haida, der mich innerlich blockiert.“ So wundert es nicht, daß der Schwimmer als er aus dem Meditationsflow auftaucht und wieder für die Reize seiner Umgebung empfänglich ist, Haidas Füße vor sich sieht. Genauer, die Füße des Schwimmers vor ihm sehen den Freundesfüßen sehr ähnlich. Auch der Schwimmstil des Unbekannten gleicht dem Haidas. Doch er ist es natürlich nicht.
Tsukuru entschließt sich so schnell wie möglich nach Finnland zu reisen. Sara, die Reisefachfrau, übernimmt die Organisation und mahnt besser bei Kuro anzurufen, um die weite Reise nicht umsonst zu machen. Doch Tsukuru schlägt dies und eine weitere nervende Nachfrage aus. Er verspricht sich von einer Konfrontation mehr. Mit Sara möchte er sich erst nach seiner Rückkehr wieder treffen.
Doch er sieht sie bereits wenige Tage später, von Sara unbemerkt. Hand in Hand mit einem älteren Mann überquert sie die Straße. Ein Geliebter, ihr Bruder, ein Freund? Tsukuru stellt sich diese Fragen nicht, er ist nicht eifersüchtig, er ist schockiert und traurig. Nein, nein, eifersüchtig ist er auf keinen Fall, Eifersucht fühlt sich mit traumwandlerischer Sicherheit ganz anders an.
Am meisten verwirrt ihn das Glück in Saras Gesicht, welches dem Anderen gilt. Tsukuru glaubt, nur Saras ernstes Gesicht zu kennen. Er fühlt sich im Stich gelassen, wie damals von den Freunden, von Shiro und Haida, und seine Depression nimmt ihrem Lauf.
Musik: wie immer Liszt
Metapher: „Er fühlte sich wie ein vereister Baum an einem windstillen Abend im Winter.“
Weisheit: „Besser, Schmerz zu empfinden, als gar nichts.“