In „Tod auf der Donau“ schildert Michal Hvorecky eine handlungsreiche Donauflussfahrt
Nicht nur in der Slowakei sind die Verdienstmöglichkeiten literarischer Übersetzer rar und schlecht. Dies treibt manchen Jungakademiker unter ein berufsfernes, aber pekuniär einträgliches Joch jenseits seines geistigen Niveaus. Auch Martin Roy, der Protagonist in Michal Hvoreckys Donauroman, ist trotz beruflicher Erfolge gezwungen einen derartigen Job anzunehmen. Dieser bringt Geld, ihn jedoch oft genug an den Rand seiner Geduld. Anstatt sich um Worte und Intentionen von Dichtern zu kümmern, bindet er nun Banausen Bären auf den Wohlstandsbauch. Ist Martin der Fährmann über den Acheron? Jede Menge Todgeweihter nimmt er in seinen Nachen auf und lässt sich dies in Münze und guten Bewertungen vergelten. Nur das sichert seinen Posten. Seine wahren Passionen verleugnet er professionell und verdingt sich als Kreuzfahrtknecht. Freundlichst zu Diensten, jederzeit ein exzellent säuselnd, organisiert und erklärt er, hilft weiter, auch wo es kaum mehr geht, besorgt übergewichtigen Behinderten helfende Hände für die Triebabfuhr und erläutert den Ahnungslosen verblüffende Fakten.
„Martin, bitte, was ist Barock? Die Frau Reiseführerin hat es einige Male erwähnt“, fragt Jeffrey und beugt sich über den Schalter.
„Darüber brauchst du dir nicht den Kopf zu zerbrechen. Das habt ihr in Amerika nicht.“
„Wirklich nicht?“
„Barock war eine italienisch-politische Diktatur, die noch vor der Gotik in Europa herrschte. Sehr böse, obskur und gefährlich!“
„Gut, dass wir das in Amerika nicht haben! So was brauchen wir auch nicht. Was wir jetzt brauchen ist eine gute Wirtschaftslage und Ordnung.“
Sein Sarkasmus scheint die einzige Notwehr gegen die verordnete zuckersüße Freundlichkeit. Diese stößt ihm jedoch umso bitterer auf je länger die Reise von Regensburg bis zum Schwarzen Meer dauert. Auch unter der Besatzung fühlt sich Martin fremd.
„An Bord lebte Martin in einer Männergesellschaft. Von morgens bis abends atmete er eine Luft, die mit Männergerüchen gesättigt war. Er gewöhnte sich an ihre Gesten, den schnellen Gang, die verrauchten Stimmen und versoffenen Augen. Die meisten mochte er auch auf gewisse Art und Weise, allerdings war dies mehr eine Zweckgemeinschaft, ihm blieb gar nichts anderes übrig, er wollte nicht verrückt werden.“
Einzig der Fluss, die Donau, entschädigt ihn. Sie verströmt eine Anziehung, die er seit seiner Kindheit in Bratislava gespürt hat.
„Die Donau erinnerte an eine lang gezogenen Schlange, deren Kopf im Schwarzen Meer lag, ihr Körper breitete sich über den gesamten Kontinent aus, und die Schwanzspitze verlor sich irgendwo im Schwarzwald. Der Fluss faszinierte ihn. Dorthin musste er mal fahren! Die Schlange hatte ihn fasziniert.“
Martin taucht ein in die Erinnerungen an seine Kindheit in Bratislava, sein Versteck an der Uferböschung, seine Liebe zum Fluss und zu einer Frau. Genau diese erscheint plötzlich an Bord, Mona, die Martin noch mehr demütigte als seine Passagiere es je vermögen, und deren vitale Erotik auf diesem Greisenschiff keinen unpassendere Bühne hätte finden können. Sie löst nicht nur in Martin ein Chaos aus. Ihr Handeln führt ins Absurde, ist unberechenbar und gefährlich wie die Strudel der Donau.
Doch die MS America hält unbeirrbar ihren Kurs seit Regensburg, der Stadt mit der Steinernen Brücke an den drei Flüssen, die sehr wohl weiß, was Barock bedeutet. Auf all ihrer schönen Geschichte prangt jedoch ein Makel, dem Hvorecky im Verlauf seines Buches nachgeht, die Verfolgung der Juden. Die Donau spielt als Retterin wie als tödliches Verhängnis eine schicksalhafte Rolle. Es überzeugen die stillen historischen Mementi. Erschütternde Erinnerungen von Verfolgung und Angst, in denen die schöne, blaue Donau oft schwarz und hässlich wirkt.
Vielfältig sind auch die literarischen Zitate, darunter sei vor allem Donau, Biographie eines Flusses von Claudio Magris genannt.
Allerdings fragt man sich gegen Ende, ob die Morde nicht eher ein Nebenbei sind. Schließlich lösen sie sich zwar nicht in Wohlgefallen aber in elementarer Weise auf. Erfreulicher als die vereinzelten Schwarz-Weiß-Fotos wäre eine Donaukarte gewesen.
Doch das sind nur äußere Kritikpunkte an diesem erfrischend andersartigen Donauroman, dessen Lektüre fast jedem empfohlen sei.
Mit dem Buchtitel, im Original „Dunaj v Amerike“, der nicht wie seine deutsche Version auf den bekannten Klassiker Agatha Christies anspielt, evoziert Hvorecky einen Wettkampf. Dessen Verlauf, die Kontrahenten, ihre Auf und Ab, erzählt er mit vielen Nebensträngen, nicht ohne ein fulminantes Showdown auszusparen.
Der von der Robert Bosch Stiftung Grenzgänger geförderte Roman ist bei Tropen/Klett-Cotta erschienen und von Michal Stavaric aus dem Slowakischen übersetzt.
Interviews und weitere Details zum Roman finden sich auf dem Blog des Autors zum Buch.
Michal Hvorecky, Tod auf der Donau, übers. v. Michal Stavaric, Tropen/Klett-Cotta, 1. Aufl. 2012