Krawatten und Kokain

Astrid Rosenfelds Andromeda: Elsa ungeheuer

ElsaZwei Ta­ge vor Hal­lo­ween traf sich un­ser Li­te­ra­tur­kreis. Auf dem Pro­gramm stand El­sa un­ge­heu­er, mich gru­sel­te es ehr­lich ge­sagt schon beim Ti­tel. Was wie ein Kin­der­buch über ein fre­ches Mäd­chen da­her kommt, hat ganz klar auch ein sol­ches zum Vor­bild. Pip­pi Lang­strumpf ist in die­sem Fall aber ein­deu­tig nicht ju­gend­frei und ori­en­tiert sich im for­cier­ten Durch­knall­fak­tor sei­nes Per­so­nals eher an Ir­ving. Wir hö­ren je­doch nicht, wie Garp die Welt sah, son­dern wie El­sa sie sich macht. Na­tür­lich so, und da sind wir doch wie­der bei Lind­gren, wie sie ihr gefällt.

Von der Mut­ter in ei­nem öden Ort bei Ver­wand­ten ab­ge­ge­ben, sucht El­sa sich die Ro­si­nen im Dorf­mist. Das sind Karl und Lo­renz, zwei Brü­der in ih­rem Al­ter, und ein selt­sa­mes Mur­mel­tier ge­ho­be­nen Al­ters, das den Kin­dern durch Gu­te-Bett-Ge­schich­ten Ge­bor­gen­heit ver­mit­teln will. Ein Miss­brauchs­fall. In der Rea­li­tät wä­re die­ser Herr schon längst hin­ter psych­ia­tri­schen Mau­ern, hier im Ro­man darf er prä­pu­ber­tä­ren Kin­dern sei­ne Alt­her­rensexi­ma­li­tä­ten er­zäh­len. Nun gut, wir le­sen Fiktion.

Das üb­ri­ge Dorf­per­so­nal ist mehr als tumb. Aus die­sem Grund hat sich ver­mut­lich Karls Mut­ter di­rekt zu Be­ginn vom Bal­kon ge­stürzt, mit der ro­sa Ba­de­kap­pe über den Au­gen, damit’s ori­gi­nell wirkt. Der zu­rück­ge­blie­be­ne (sic!) Va­ter säuft, ver­ständ­lich bei ei­ner bi­got­ten Al­ten im Haus und ei­nem Kin­der­schän­der als Nach­barn. Lo­gisch, daß die­ser On­kel sich an sei­ner Nich­te ver­greift, die Au­torin hat­te El­sa ja be­reits auf Lo­li­ta getrimmt.

Und dann kommt noch Schwei­ne­wil­li zum Schlach­ten vor­bei. Ein Kerl, wie man sich sol­che Ker­le eben vor­stellt. Jung, mus­ku­lös, aber al­les, was die Seh­nen stärkt zum Grei­fen, Zu­ste­chen und Auf­schlit­zen, das fehlt im Hirn. El­sa hat das blitz­schnell er­kannt und sich aus dem Staub ge­macht. Doch als sie ver­zwei­felt und trotz kra­wat­ten­ban­da­gier­ter Bei­ne kei­nen Halt mehr fin­det, schleppt sie sich schwan­ger nach Te­xas zu Schwei­ne­wil­li, aus dem in­zwi­schen ein Cow­boy ge­wor­den ist.

Cut.

Der zwei­te Teil ver­folgt den Wer­de­gang der Brü­der, aus Lo­renz wird ein Künst­ler ge­macht, aus Karl wei­ter nichts. Die­ses Di­lem­ma über­brü­cken bei­de mit Koks. Der Stoff aus dem die Träu­me sind ist die­ser Roman­teil den­noch nicht. Zu vie­le Kli­schees. Wer an Kunst denkt, denkt hier an Sex, Ko­ka­in, Kor­rup­ti­on und Fäl­schung. Haupt­säch­lich ist die Kunst künst­lich, glück­lich wird kei­ner da­mit. Als Karl dies er­kennt, wird er clean und be­schließt, sich end­lich sei­ner gro­ßen Lie­be El­sa zu stel­len. Was ist aus ihr ge­wor­den? Wie lebt sie jetzt? Denkt sie im­mer noch an ihn, so wie er an sie?

Das ist in gro­ben Zü­gen die Hand­lung die­ses Ro­mans, den vie­le ori­gi­nell und amü­sant fin­den, ich je­doch grenz­wer­tig. Am meis­ten über­rascht mich, daß die Au­torin sämt­li­che Frau­en als Ob­jek­te dar­stellt. Von der de­pres­si­ven Mut­ter und der fa­na­ti­schen Ka­tho­li­kin ab­ge­se­hen wer­den al­le zu Op­fern se­xu­el­ler Über­grif­fe oder grei­fen selbst, wie, na klar, die zu­ge­koks­te Galeristengattin.

Auch die al­te Mä­ze­nin ist kei­ne un­be­schä­dig­te Fi­gur. Als Al­ter Ego von An­dro­me­da be­tet sie de­ren Dar­stel­lung durch Rem­brandt an. Doch wer hat sie an den Fel­sen ge­ket­tet? Wo lau­ert ihr Dra­che und wer, bit­te schön, soll ihr Per­seus sein?

Dass An­dro­me­da ein zen­tra­les Mo­tiv ih­res Ro­mans sei, hat As­trid Ro­sen­feld in ei­nem In­ter­view be­tont. Viel­leicht ist aber auch El­sa An­dro­me­da, Karl Per­seus und On­kel Gus­tav Ke­tos? Ich wer­de es nie er­grün­den und will es auch gar nicht.

As­trid Ro­sen­feld, El­sa un­ge­heu­er, Dio­ge­nes Ver­lag, 1. Aufl. 2013

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