Wieder endet ein Jahr und hinterlässt das Gefühl eines Ungenügens, denn mein Proust-Projekt ist nur unwesentlich voran geschritten.
Etliche Neuerscheinungen, Buchpreise und Rezensionsexemplare sind dazwischen geraten. Manches erwies sich als überflüssig und dümpelt mittlerweile in den hinteren Blogrängen dem Vergessen entgegen.
Doch nicht wenige Romane haben mich beeindruckt, darunter die Buchpreiskandidaten von Marion Poschmann, Thomas Glavinic und Norbert Gstrein. Psychologisch interessierten Kunstliebhabern mit einem Hang zum Atheismus möchte ich Soutines letzte Fahrt von Ralph Dutli empfehlen. Allen, die glauben, jenseits ihres Potentials in einem öden Provinzkaff zu verschimmeln, Judith Kuckarts Wünsche.
Besonders beeindruckt hat mich Gunther Geltingers poetischer Entwicklungs- und Selbstfindungsroman Moor. Überrascht war ich von Daniel Galeras Roman Flut, den ich in einer toleranten Stunde als Suhrkamp-Rezensionsvorschlag angenommen habe und sehr unterhaltsam fand. Es ist ja immer so eine Sache mit den Rezensionsangeboten, Zeit hat man nie, vor allem angesichts des blauen Prousts auf dem Nachttisch, interessiert ist man schon, wer jetzt wie den einen oder andern Preis ergattern wird. So bin ich dankbar für Maras Idee der Buchpreisblogaktion „5 lesen 20“ und für die mir zugefallenen Titel. Die Zusammenarbeit mit Buzzaldrins Bücher, SchöneSeiten, Literaturen und Das graue Sofa hat gut funktioniert. Einige meiner besten Jahreslektüren stammen aus diesem Projekt.
Doch meine Entdeckung des Jahres ist eindeutig Alice Munro. Die Erzählungen der Nobelpreisträgerin kannte ich bisher noch nicht. Von ihren Band „Tricks“ und besonders von den drei zusammenhängenden Erzählungen Chance/Soon/Silence bin ich derart begeistert, daß ich auch ihre anderen Werke nach und nach lesen werde.
Natürlich geht es auch mit Proust weiter. Ich war nicht untätig in diesem Jahr, sondern habe mit Laura Foschini in die Proust’sche Mottenkiste geschaut. Dem Salon der Mme de Villeparisis durfte ich sogar zweimal einen Besuch abstatten und mich also doppelt über den Fürsten von Faffenheim amüsieren. Erfreut bin ich von der Neuübersetzung der Recherche von Bernd-Jürgen Fischer im Reclam-Verlags, hatte aber noch keine Gelegenheit zum Vergleich mit der Suhrkamp-Ausgabe. In halbjährlichen Abständen werden die weiteren Bände der Neuübersetzung folgen. Wenn es mit meiner Proustlektüre also weiter so voran geht, werde ich bald den direkten Vergleich zwischen Reclam und Suhrkamp machen können.
Ich wünsche euch alles Gute für das neue Jahr und eine kluge Lektüreauswahl, denn das Leben ist zu kurz um schlechte Bücher zu lesen.
Alles Gute!