Hartmut Lange erkundet in neuen Novellen die „Ewigkeit des Augenblicks“
Durch eine Leihgabe, für die ich nicht zuletzt durch diesen Blogbeitrag danken möchte, wurde ich auf einem mir bis dato unbekannten Schriftsteller aufmerksam, den am 31. März 1937 geborenen Schriftsteller und Dramaturg Hartmut Lange. Für sein literarisches Werk, Lange gilt als Meister der Novelle, erhielt er 2003 den Italo-Svevo-Preis.
Sein neues Buch „Das Haus in der Dorotheenstraße“ umfasst fünf Novellen, von denen nicht nur die titelgebende äußerst beeindruckt. Gemeinsam ist allen die Handlungsregion. Sie liegt im Südwesten Berlins am Teltowkanal und wird bis auf einzelne Straßennamen präzisiert. Allgegenwärtig ist außerdem die Melancholie. Sie bestimmt bereits den Grundton der Beschreibungen und verstärkt sich sobald Unerklärliches in das Vertraute eindringt. Hartmut Lange erzeugt subtil phantastische Momente und eine Spannung, die gebannt das anschleichend Unheimliche der Geschichten verfolgt. Omina verweisen auf das jeweilige Ende, sei es der Besuch einer Othello-Aufführungen, die in der Titelgeschichte die Eifersucht weckt, oder die Krähen in den beiden ersten Novellen. Die Vögel erscheinen dort einzeln, als Paar, in Scharen und Schwärmen. Sie durchdringen Szenen und Phantasie, bisweilen Uhrzeit genau, werden als Symbol der Freiheit aber auch des Unheils interpretiert. Die Krähe wird sogar zum Phantom, wenn sie dem Bürgermeister von Teltow an den unwahrscheinlichsten Orten begegnet. Sie ist nur für ihn alleine sichtbar. Darin gleicht sie dem Mann in der letzten Novelle, der seiner wartenden Ehefrau des Abends als Hintertürwunschbild erscheint.
In allen Geschichten zeigt sich der Mensch als Einzelner, der versucht die „Ewigkeit des Augenblicks“ zu bannen. Ob dies gelingt oder ob Unsterblichkeit doch nur in der Kunst liegen kann, dies kann man mit den Novellen Hartmut Langes erkunden.
Hartmut Lange, Das Haus in der Dorotheenstraße, Diogenes Verlag, 1. Aufl. 2013.