Den gestrigen Nachmittag eröffnete Anna Maria Praßler mit ihrem Text „Das Andere“.
Wer historische Bezüge in literarische Texte einbringt, sollte sich bewusst sein, was er tut, und seine Belege gut recherchiert haben. Was Praßler über den Usus im antiken Rom sagte wird mancher Archäologe und Historiker so nicht hinnehmen wollen, und wer aus Suetons De Vita Caesarum zitiert sollte dessen ironischen Stil erkennen. Nun gut, eine Nebensache, sie brachte mich aber zu der Frage, was die Protagonistin des Stückes denn studiere — Geschichte, Archäologie, Theaterwissenschaften? Nehmen wir doch den neuen Bachelor-Studiengang Kulturwissenschaften, der passt immer und nimmt es vielleicht auch nicht so genau. Dieses ganze Wissenschaftsatmosphäre erzeugende Beiwerk hätte es meiner Meinung nach gar nicht gebraucht. Die Geschichte der gescheiterten Beziehung funktioniert auch so. Die Gründe der jungen Frau, warum sie sich von Björn entliebt hatte, sind sehr gut nachvollziehbar. Macht und Dominanz bilden keine gute Basis. Dabei hatte doch alles, wie es immer in der Liebe so geht, gut angefangen. Winkels bezeichnete die Kennenlern-Szene als originelle Beziehungsanknüpfungsgeschichte. Glaubwürdig und positiv wertete Keller die Entwicklung der jungen Frau, die durch ihre subjektive Erfahrung mit dem Tod ihre bisher ausschließlich wissenschaftliche Annäherung an dieses Sujet durchdringt. Die übrigen Juroren fanden den Text schwächer. Zu viele Themen seien wie in einem Drehbuch aufgereiht, so Feßmann. Sulzer und Jandl monierten Trivialitäten. Zur Verteidigung des Textes führte Spinnen, der Praßlers Text nominiert hatte, die psychologische Darstellung der Figuren und der Abhängigkeiten in deren Beziehungsgefüge an.
Die von Hubert Winkels nach Klagenfurt geladene Antonia Baum schloss mit der Lesung ihres Textes „Vollkommen leblos, bestenfalls tot“ an.
In drei Kapiteln erzählte sie mal in tagebuchartiger Form, mal in einer Art Bewusstseinsstrom die Leiden einer jungen Frau, der Schule, Elternhaus, aber auch die spätere Beziehung zu einem Mann zu viel ist. Sie will aus allem ausbrechen und schafft es doch nicht. Der Bauch hält sie gefangen.
Besonders störend fand ich das immer wieder eingeschobene „Denk Ich“, welches im ersten Kapitel ja noch als Rollenprosa einer Spätpubertierenden durch gehen mag. Beim Zuhören der weiteren Kapitel verführte es aber fast dazu, eine Strichliste anzulegen. Auch die Problematik der Protagonistin hat mich nicht erreicht.
Die Juroren fühlten sich zum großen Teil an Thomas Bernhard erinnert. Strigl leitete die Diskussion mit der Frage ein, ob es sich um eine TB-Parodie handele. Gefallen habe ihr der Text da, wo Baum TB vergessen habe. Weder eine Imitation noch eine Parodie des großen österreichischen Schriftstellers sei, laut Feßmann, gegeben. Die Bernhardsche Suada sei unbewusst gewählt. Winkels erklärte, daß dieses Stilzitat von der Autorin wissend gewählt sei, um der spätpubertären Grundweltablehnung eine Form zu geben. Im Gegensatz zu dem vorhergehenden Text sah Keller die Entwicklung der Protagonistin gescheitert.