Die Beute der Bücherdiebin

Was hat es nun mit den „ge­stoh­le­nen” Bü­chern auf sich?

We­nig fin­det sich  dar­über auf deutsch­spra­chi­gen Sei­ten. Selbst Wi­ki­pe­dia ist nicht ganz kor­rekt in der Auf­zäh­lung. Das ein oder an­de­re De­tail mag auch mir durch die Lap­pen ge­gan­gen sein. Wenn dies so ist, mel­det Euch.

Hier nun ei­ne Auf­stel­lung der Bü­cher, die im Lau­fe des Ro­mans in Lie­sels Be­sitz ge­lan­gen. Sei­en sie nun ge­fun­den, aus dem Feu­er ge­ret­tet, ge­schenkt oder tat­säch­lich ent­wen­det. Ei­ne kor­rek­te bi­blio­gra­phi­sche Er­fas­sung ist man­gels An­ga­ben lei­der nicht mög­lich. Das macht aber nichts, die Bü­cher sind fast al­le fiktiv.

1. Am 13.Januar 1939 fin­det Lie­sel nach dem Be­gräb­nis ih­res Bru­ders auf ei­nem Münch­ner Fried­hof das Hand­buch für To­ten­grä­ber. Es trägt den Un­ter­ti­tel In zwölf Schrit­ten zum Er­folg. Wie man ein gu­ter To­ten­grä­ber wird. Her­aus­ge­ge­ben von der Baye­ri­schen Fried­hofs­ver­wal­tung und er­weist sich so­mit als Ana­chro­nis­mus. Ei­ne Fried­hofs­ver­ord­nung in Ge­stalt ei­nes Kar­rie­re­rat­ge­bers des 20. Jahr­hun­derts, der ei­nem To­ten­grä­ber­lehr­ling an­no 1939 aus der Ta­sche fällt?

Es han­delt sich um ein schwar­zes Buch mit sil­ber­nem Ti­tel (S. 35). Im­mer­hin er­fah­ren wir, daß das drit­te Ka­pi­tel Tipps zur Be­stat­tung bei wid­ri­gem win­ter­li­chem Wet­ter be­reit­hält (S. 88). Die­ses Ka­pi­tel trägt Lie­sel in der Schu­le vor. Dort will sie ih­re Le­se­fort­schrit­te de­mons­trie­ren. Der To­ten­grä­ber­rat­ge­ber dient ihr als Le­se­fi­bel (S. 74). Der letz­te Satz des Hand­bu­ches lau­tet: „Wir von der Baye­ri­schen Fried­hofs­ver­wal­tung hof­fen, dass wir Sie be­züg­lich der Ar­beit, Si­cher­heits­maß­nah­men und Pflich­ten ei­nes To­ten­grä­bers in­for­mie­ren und gleich­zei­tig un­ter­hal­ten konn­ten. Wir wün­schen Ih­nen viel Er­folg bei der Aus­übung der ho­hen Kunst des Be­er­di­gens und hof­fen, das Ih­nen die­ses Buch da­bei ei­ne Hil­fe sein wird“ (S. 99).

In mei­nen Oh­ren klingt dies eher nach ei­ner Kun­den­bro­schü­re für ei­nen teu­ren Kaffeeautomaten.

2. Zu Weih­nach­ten 1940 schenkt Hans Hu­ber­mann Lie­sel zwei Bü­cher, die er ge­gen Zi­ga­ret­ten ein­ge­tauscht hat. Mattheus Ot­tel­berg und Faust, der Hund. Letz­te­res ist ein il­lus­trier­tes Kin­der­buch, wel­ches die Ge­schich­te ei­nes spre­chen­den und sab­bern­den Schä­fer­hun­des er­zählt. Na­tür­lich han­delt es sich um ei­nen Deut­schen Schä­fer­hund. Die­se Ras­se mach­te be­kann­ter­ma­ßen in der Zeit des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus Furore.

Ob Zu­sak die­se hün­di­sche Ras­sen­kar­rie­re im Sinn hat­te? Oder dach­te er gar an den Faust Goe­thes, den In­be­griff der deut­schen Li­te­ra­tur? Ich weiß es nicht. Viel­leicht hat er auch in sei­ner Kind­heit das Bil­der­buch Faust und Fi­lou. Zwei wie Hund und Katz gelesen?

3. Das zwei­te Buch­ge­schenk trägt den Ti­tel Der Leucht­turm, ver­fasst wur­de es von In­grid Rippinstein(S. 101f.).

4. Am 20. April 1940 ret­tet Lie­sel aus der Glut ei­nes na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Bü­cher­schei­ter­hau­fens  Das Schul­ter­zu­cken (S. 95f.). Der Ti­tel ist in ro­ter Schrift auf den blau­en Ein­band ge­prägt, dar­un­ter be­fin­det sich die Ab­bil­dung ei­nes klei­nen ro­ten Ku­ckucks (S. 134).

5. Hit­ler, Mein Kampf (1925/26). Die­ses Buch nutzt Hans Hu­ber­mann, um Max heim­lich den Woh­nungs­schlüs­sel zu sen­den. Max dient es zu­gleich als Tar­nung. Nach­dem es die­se Zwe­cke er­füllt hat, wer­den die Sei­ten her­aus­ge­trennt und über­malt, um we­nigs­tens das Pa­pier nut­zen zu kön­nen (S. 139, 246).

6. Im Fe­bru­ar, 1941 fei­ert Lie­sel ih­ren zwölf­ten Ge­burts­tag und er­hält Die Men­schen aus Lehm zum Ge­schenk. Das Buch han­delt von ei­nem son­der­ba­ren Va­ter und ei­nem son­der­ba­ren Sohn, (S. 244).

Als Ideen­vor­la­ge mag Zu­sak der Pro­me­theus­my­thos ge­dient ha­ben, auch wenn Pro­me­theus und Zeus nicht Va­ter und Sohn wa­ren, son­der­bar war ihr Streit schon. Au­ßer­dem gibt es ein sehr schö­nes Ge­dicht von Goe­the zu dem Thema.

7. Max Van­den­burg, Der Über­steh­mann, S. 246, S. 248–260. Das ers­te Buch im Buch. Ein Ge­schenk des Ju­den Max an Lie­sel. Im Ori­gi­nal trägt es den Ti­tel The Stan­do­ver Man, was den Über­le­bens- und Frei­heits­ge­dan­ken die­ser co­mic­ar­tig ge­stal­te­ten Sei­ten deut­li­cher wer­den lässt.

8. Zum ers­ten tat­säch­li­chen Bü­cher­dieb­stahl kommt es im Ok­to­ber 1941. Der Pfei­fer aus der Bi­blio­thek der Bür­ger­meis­ter­gat­tin Il­se Her­mann. Nach­dem Lie­sel es nicht als Ge­schenk von Frau Her­mann an­neh­men woll­te,  klet­tert sie durch das Fens­ter und stiehlt das Buch. Auf 396 Sei­ten wird ei­ne Kri­mi­nal­ge­schich­te aus Wien er­zählt. (S. 315, 352) Durch das Vor­le­sen die­ser span­nen­den Lek­tü­re lässt Lie­sel ih­re Nach­barn den Schre­cken im Luft­schutz­kel­ler et­was ver­ges­sen (S. 414).

Wien, Mör­der, Pfer­de­ren­nen, auch die­ses Buch ist nicht  zu iden­ti­fi­zie­ren. Es er­in­nert al­ler­dings grob an den Ro­man von Gra­ham Gree­ne, Der drit­te Mann.

9. Der Traum­trä­ger aus der Bi­blio­thek von Il­se Her­mann. Das Buch in ro­tem Ein­band mit schwar­zem Ti­tel auf dem Buch­rü­cken ist laut In­halts­an­ga­be ein ziem­li­cher Kitsch­ro­man (S. 356, 359). Sein Prot­ago­nist, ein ar­mer Jun­ge, der sich zum Pries­ter be­ru­fen fühlt und fast an der weib­li­chen Ver­su­chung schei­tert (S. 395).

Ob sich Zu­sak von dem gleich­na­mi­gen 1987 er­schie­nen Werk der fran­zö­si­schen Künst­le­rin Leo­nor Fi­ni in­spi­rie­ren ließ? Ich glau­be nicht.

10. Vom glei­chen Ka­li­ber scheint der nächs­te Band aus Bür­ger­meis­te­rins Bi­blio­thek. Ein Lied im Dun­keln, hoff­nungs­voll grün mit wei­ßem Ti­tel und Flö­ten­mo­tiv er­zählt es das all­be­kann­te Dra­mo­lett der ver­las­se­nen Frau, de­ren Lieb­ha­ber mit ih­rer bes­ten Freun­din durch­brennt (S. 396, S. 458). Die Über­ga­be fin­det im Au­gust 1942 statt, von ei­nem Dieb­stahl lässt sich nun wirk­lich nicht mehr sprechen.

Als Vor­la­ge mag ein Buch aus der Fe­der Frau P.s ge­dient ha­ben, wel­ches in den Wei­ten Corn­walls, Wales oder Schott­land spielt.

11. Nur we­ni­ge Ta­ge spä­ter legt Il­se Her­mann ein wei­te­res Buch zur Ab­ho­lung aus. Das im Au­gust 1942 zwar noch nicht er­schie­ne­ne aber trotz­dem sehr nütz­li­che Du­den Be­deu­tungs­wör­ter­buch.

12. Max Van­den­burg, Die Wor­te­schütt­le­rin. Ei­ne Samm­lung von Ge­dan­ken für Lie­sel Mem­min­ger. Ein Buch über die be­son­de­re Be­zie­hung zwi­schen Lie­sel und Max. (S. 414, S. 476, 478–485).

3 Gedanken zu „Die Beute der Bücherdiebin“

  1. Un­ter dem Ti­tel „Der Pfei­fer” sind zwei Bü­cher ermittelbar.
    Das Ju­gend­buch El Sibador/ Der Pfei­fer von Berndt Gu­ber. Es ist 1966 im Karl-May-Ver­lag in der Rei­he „Welt der Aben­teu­er-Meis­ter­wer­ke der Span­nung” er­schie­nen. Ab­ge­se­hen da­von, daß es zu jung ist, hat es in­halt­lich nichts mit dem von Zu­sak er­wähn­ten Ti­tel zu tun, wie ein Ver­gleich mit der Pas­sa­ge bei Zu­sak, S. 352 zeigt.
    Die­se Sze­ne deu­tet eher auf ei­nen Kri­mi von Ed­gar Wal­lace, der 1927 un­ter dem Ti­tel „The Squea­k­er”, im fol­gen­den Jahr in der deut­schen Über­set­zung al­ler­dings an­schei­nend un­ter dem Ti­tel „Der Zin­ker” er­schien. Es könn­te sich al­so durch­aus um die­ses Buch han­deln. Al­ler­dings fin­de ich den Hand­lungs­ort Wien für ei­nen Kri­mi von Wal­lace untypisch.
    Trotz­dem, dan­ke für die An­re­gung noch­mals nachzuschauen. 

    Bei „Lied im Dun­keln” bin ich überfragt.

    Doch an Tipps und Auf­klä­rung im­mer interessiert.

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