Vergiften für Verheiratete

Ein effektives Mittel gegen den Horst in deinem Bett liefert Sara Paborn in „Beim Morden bitte langsam vorgehen“

Gift. Im Schwe­di­schen hat das Wort zwei sehr ver­schie­de­ne Be­deu­tun­gen. Gibt es ei­gent­lich ir­gend­ei­ne an­de­re Spra­che, in der das Wort für Ehe das­sel­be ist wie das für ei­nen ge­sund­heits­schäd­li­chen bis töd­li­chen Stoff?“

Auf der Su­che nach ei­ner Som­mer­lek­tü­re, ei­nem An­ti­dot ge­gen nächt­li­che Glut­hit­ze, stieß ich auf das neu­es­te Werk der schwe­di­schen Au­torin Sa­ra Pa­born. Im Ori­gi­nal trägt es den Ti­tel Bly­bröl­lop, Blei­hoch­zeit, die wa­cke­re Tra­di­tio­na­lis­ten nach 43 Jah­ren Ehe fei­ern. In der Über­set­zung wur­de dar­aus ei­ne An­wei­sung wie aus dem Koch­buch „Beim Mor­den bit­te lang­sam vor­ge­hen“. Die Le­se­rin ahnt, wor­an sie ist, denkt an „Ar­sen mit Spit­zen­häub­chen“ oder an je­ne fin­di­ge Da­me, die un­lieb­sa­mes Ver­hal­ten stets mit Blau­beer­pud­ding be­lohn­te. Erst vie­le Jah­re und et­li­che Ehe­män­ner spä­ter wur­de die durch­schla­gen­de Kraft ih­res Des­serts ent­deckt und Blau­beer-Ma­rie­chen fand ih­ren Platz in der Lis­te le­gen­dä­rer Mör­de­rin­nen. Pa­borns Blei-Il­se hin­ge­gen kann nur ein sin­gu­lä­res Er­geb­nis vor­wei­sen, doch ih­re Me­tho­de birgt gro­ßes Potential.

Ei­ne aus­führ­li­che An­lei­tung lie­fert die Hel­din in ih­rem Me­moir, das sie sechs Jah­re nach der Tat hin­ter­lässt. Ein Ge­ständ­nis, das nie in die Hän­de der Kin­der fal­len wird, denn Il­se lebt nach dem Gat­ten­mord in­ko­gni­to und in Frie­den. Es mag an­de­ren zu Nut­zen sein, zum Bei­spiel ih­ren zahl­rei­chen Leserinnen.

Ein In­ter­es­se an Na­tur­wis­sen­schaft ist bei der Lek­tü­re nütz­lich, — es reicht auch die Er­in­ne­rung an ei­nen Che­mie-Bau­kas­ten, der ei­ner bi­got­ten Che­mie-Leh­re­rin zum Trotz, die Lust auf Qualm und Ge­stank ent­fach­te – denn Il­se be­rich­tet en dé­tail, wie man aus den Blei­be­schwe­rern des Gar­di­nen­bands ei­ne ve­ri­ta­ble Waf­fe fa­bri­ziert. Aus der per Fern­lei­he ge­or­der­ten to­xi­ko­lo­gi­schen Li­te­ra­tur er­fährt sie, daß ei­ne Blei­ver­gif­tung schwer nach­weis­bar ist, und wie man Blei­zu­cker her­stellt. Die­sen ser­viert sie Horst zum Kaffee.

Il­se be­rich­tet nicht nur von der Tat und ih­rem Mo­tiv, in Rück­bli­cken schil­dert sie auch ih­re Lei­den­schaf­ten. Da­zu zäh­len Bü­cher, die sie zum Be­ruf der Bi­blio­the­ka­rin brach­ten. An­spruchs­vol­le Li­te­ra­tur liegt ihr am Her­zen. Wäh­rend sie zu Hau­se ih­ren Haus­ty­ran­nen er­dul­det, ent­le­digt sie sich in der Bi­blio­thek von al­lem, was sie „per­sön­lich für min­der­wer­tig er­ach­te­te, z.B. Ay­la und der Clan der Bä­ren“ oder hin­ter­lässt auf dem Vor­satz­blatt ei­nen deut­li­chen Hinweis.

Horst liest noch nicht mal Min­der­wer­ti­ges, sein Hang gilt der In­stal­la­ti­on per­fek­ter Au­dio­an­la­gen. Ei­ne sol­che er­rich­tet er peu à peu auf dem Dach­bo­den und ver­nich­tet so Il­ses Le­se­zim­mer. Ihr bleibt für Bü­cher und Ses­sel nur noch der Kel­ler. Sie war­tet lan­ge be­vor sie sich ge­gen den selbst­herr­li­chen Lang­wei­ler zur Wehr setzt, wie sie an­ge­sichts der zahl­rei­chen Wi­der­wär­tig­kei­ten er­staunt fest­stellt. Doch jetzt, „re­gen sich die al­ten Er­in­ne­run­gen wie auf­ge­weck­te Ur­zeit­tie­re. So vie­les, was ich im Lau­fe der Jah­re ver­drängt hat­te, kommt zu­rück“. In die­sen Se­quen­zen wird der Ra­che­ro­man zur psy­cho­lo­gi­schen Ehe­stu­die, der erns­te und tief­grün­di­ge Aus­sa­gen folgen.

Im Vor­der­grund steht je­doch der schwar­ze Hu­mor, mit des­sen Hil­fe Il­se ih­rem Horst kalt­blü­tig an den Kra­gen geht. Mehr als ein­mal tat mir das Op­fer so­gar  ein we­nig leid. Ge­würzt ist das un­ter­halt­sa­me Mord­re­zept mit je­der Men­ge Witz, den Wib­ke Kuhn tref­fend ins Deut­sche über­tra­gen hat.

Je­der Mensch hat sei­ne Re­so­nanz, dach­te ich. Und die klingt noch lan­ge nach, auch wenn der Mensch schon längst weg ist.

Ich war schon in der Kü­che, als ich den dump­fen Auf­prall hör­te. Ich lief auf den Flur, um nach­zu­se­hen, was pas­siert war. Horst lag am Fuß der Trep­pe, in ei­nem selt­sa­men Win­kel verdreht.“

Sara Paborn, Beim Morden bitte langsam vorgehen, übers. v. Wibke Kuhn, Deutsche Verlags-Anstalt 2018

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