Altes aussortiert
Pfingsten, das liebliche Fest war gekommen!? Ach nee, doch nicht, falsches Fest und bei dem strömenden Regen ist nichts lieblich. Was also tun? Lesen! Klar, Lesen geht immer, aber da steht dieses Regal im Nacken, überquellend von Büchern, quer, links, hinter- und übereinander gelegten und gestellten. Es mahnt an ein Projekt, wozu schon seit geraumer Zeit Öl und Tücher bereit liegen. Nur die Lust nicht. Wäre ein Spaziergang nicht viel gesünder? Sicher, aber auch nässer. Also dann doch! Vor der Ölung, ‑wenigstens ein christlicher Ritus sollte an diesem Tag drin sein‑, muss erstmal alles raus. Bei jedem Band kehren Erinnerungen zurück. Manchmal solche, die man gerne schon längst vergessen hätte. Zum Beispiel die an diesen Professor! Und warum zum Teufel darf noch das Buch dieser Journalistin kostbaren Regalplatz belegen, die seit geraumer Zeit in der Blöd publiziert?
Also weg damit:
Vance Packard, Die geheimen Verführer. Ullstein 1980 – Den im Original 1957 erschienenen Klassiker der Werbepsychologie hatte ich gerne und mit Vergnügen gelesen. Dem Werbewarner Packard hätte sicherlich der kritische Verbraucher von heute, der Marktchecker und
Produkt-Rezensent sehr gefallen. Ein Satz: „Social Research hat festgestellt, daß außer Milch auch viele andere Lebensmittel mit verborgenem Sinngehalt befrachtet sind“. Wohl wahr, man denke an die Vegetanisierung des Schinken-Spickers.
Wie wäre es mit etwas Historischem über unseren kleinen königstreuen Nachbarn? Horst Lademacher, Geschichte der Niederlande. WBG Darmstadt 1983. Damals dachte ich wohl, wer Geschichte studiert, interessierte sich für alles, auch für die Oranier. Ein Satz: „Obwohl sich auch Opposition gegen Moritz nach der Hinrichtung Oldenbarnevelts rührte und obwohl die städtischen Regenten gleichsam in Kontinuität ihrer Kompetenzen fortwirkten, hat sich das Ansehen des Hauses Oranien in der Republik selbst wie auch im Ausland um einiges erhöht.“ Abgesehen vom Thema haben mich solche Sätze vom Lesen abgehalten.
Wenn auch kein Meilenstein, so doch ein Mosaiktessera der Troja-Forschung. Hartmut Döhl, Heinrich Schliemann. Mythos und Ärgernis. C. J. Bucher 1981. Interessante Hintergrundberichte in amüsantem Plauderton, begleitet von Erinnerungen, die ich nicht länger archivieren will. Ein Satz: „Wäre Schliemanns Leichnam nicht längst vermodert, müßte er sich seit 1890 eigentlich ständig im Grab umdrehen.“
In den Achtzigern waren alle schlauen Frauen gegen Männer, lasen Emma und Gabriele Wohmann. Manchmal finde ich die Mädels von heute könnten da auch mal reinschauen. Darum trenne ich mich gleich doppelt so gerne von Gabriele Wohmann, Ach wie gut, daß niemand weiß. Dtv 1983. Ein Satz: „Weil sie Herbert, vom Gemüt her betrachtet, lieber hatte als Gregor, mußte sie ihm den Vergleich der Crab meat-Pfröpfchen mit mehrfach benutzten, wurmartig verformten Ohropax-tierchen ebenfalls zugute kommen lassen.“
Und id., Das Glücksspiel, daraus ein Satz: „Auch dem Dackel, wie jener bedauernswerten Frau, würde so leicht keiner glauben, daß es mal wieder nichts zu lachen gab, wirklich gar nichts.“ Alle hier zitierten Sätze, habe ich spontan auf den ersten Blick gefunden. Ehrenwort. Kurios allerdings, damals besaß ich tatsächlich einen Dackel.
Damals hatte auch Jede Christa Wolfs Kassandra gelesen. Manche ohne Ahnung von den alten Griechen, was dazu führte, daß sie ihre Töchter mit diesem unheilträchtigen Vornamen versahen. Nicht nur zum Spott der Griechischlehrer. Aus welchem Grund Christa Wolf, Voraussetzungen einer Erzählung: Kassandra ganz ohne Kassandra in meinem Regal gelangte, weiß ich nicht. Ein Satz: „Wem kann ich erzählen, daß die Ilias mich langweilt?“
Mal etwas neueres, auch von einer Frau. Birgit Vanderbeke, Geld oder Leben. S. Fischer 2003. Ich fand’s belanglos, aber nicht ärgerlich. Ein Satz: „Natürlich macht es dich sauer, wenn du das rausfindest, und keine Sau interessiert sich dafür, sagte Jakob, (…).“ Die Frau schreibt wirklich lange Sätze.
Es ist noch nicht vorbei mit der Emanzenliteratur. Ein Buch von und eines über Alice Schwarzer können weg. Die brauche ich nicht mehr. Ob sie je etwas genützt haben? Durch dick und dünn mit einem Satz: „Der männliche Körper präsentiert sich in der Regel in seinem sozial-ökonomischen Wert, der weibliche hingegen läßt scheinbar Rückschlüsse auf den psychischen und sittlichen Zustand zu.“ Recht haben sie immer noch, die Autorinnen dieses Sammelbandes.
Alice Schwarzer, Mit Leidenschaft. Texte 1968–1982. Rowohlt 1982. Ein zugegeben erwartbarer Satz: „Ein Frauenleben verläuft von der Wiege bis zur Bahre anders als ein Männerleben.“
Nach solchen frauenbewegten Sachbüchern darf natürlich der Roman der damaligen Zeit nicht fehlen. 1977 erschienen dieser Bestseller, ich schmeiße mein rororo Exemplar aus dem Jahr 1984 auf den Scheiterhaufen. Marilyn French, Frauen, in dem sich Folgendes findet: „Glaubst du irgend etwas davon? Das ist kein Stoff für einen Roman.“
Wer so etwas sagt, ist auch zum Schlimmsten bereit. Meisterlich beschreibt diese Autorin derartige Abgründe. Patricia Highsmith, Kleine Geschichten für Weiberfeinde: „Brian drehte fast durch in dieser Atmosphäre“. In Leise, leise im Wind „kam ein Schrei – und wieder ein Schrei, halb Entsetzen, halb Übermut.“ Während sie in Elsie’s Lebenslust verrät: „Er hatte ein sonderbares Gefühl, so anders, wie still verliebt.“
Nicht mehr verliebt bin ich in Isabel Allende, weder in die Geschichten der Eva Luna, noch in Das Geisterhaus. Einen Satz von Eva: „Diese Worte lasteten wie eine Mißbildung auf dem Jungen.“
Zu guter letzt noch ein sehr bekannter Roman, den ich aber sicherlich kein weiteres Mal lesen werde, Das Hotel New Hampshire. John Irving gebührt das Schlußwort: „Sabrina Jones erzählte mir später, daß Buch sei ihr aus den Händen geflogen.“
Weg damit! Doch wohin? Altpapier, Bücherflohmarkt, offenes Regal? Oder — wat den Eenen sin Uhl, is den Annern sin Nachtigall — möchte sie einer von euch? Kommentar genügt.
Warum jetzt alle plötzlich ihre Bücher aussortieren?
Wie hältst Du es damit, Eva?
Bei mir sind Platz und Lebenszeit begrenzt, meine anderen Gründe habe ich oben genannt.
Am Wochenende habe ich auf dem Dachboden noch ein 20-bändiges Lexikon, diverse Tierbücher, ein Dämliken und weitere Schätzchen gefunden. Die werden alle gleich abgeholt. Wo sie wohl landen werden? Flohmarkt oder Kamin? Der Eso-Heini hat sicher viel Zündkraft.
Die genannten Bücher landeten zusammen mit drei vollen Kisten vom Dachboden tatsächlich in einem offenen Buchregal im Nachbarort. So hörte ich jedenfalls.
Demnächst werde ich dort mal vorbei schauen. Wie sich Schwarzer wohl so neben Däniken macht?
Ab und uz mal was raus entlüftet — und so hat man Platz für die Bücher, die einem richtig gut gefallen. Weiter so!
Da sind sie nun, eines meine ich auf den Fotos entdeckt zu haben. Ich verrate lieber nicht, welches. 😉
http://www.heimatbaum.com/buecher-tauschen-statt-entsorgen-diy/