Wie Wolf Haas in „Brennerova” aus Muskelbilderbüchern Literatur macht
Es sind die Strukturen in Wolf Haas’ Literatur, die mich begeistern. So zäume ich nach dem Wetter
, der Missionarsstellung
und der Wiederbelebung vom Brenner
das Pferd von hinten auf und fange mit der neusten Folge ganz von vorne an.
In der gerät der Brenner aus interessierter Langeweile und weil die Herta jetzt fern von ihm weilt, sprich sich getrennt hat, auf eine Partnervermittlungsseite im Internet. Lauter Russinnen, wenn er eine von denen heiraten würde, gäbe es eine Brennerova.
Bevor es so weit kommt, trifft die Herta und ihn beinah was vom Dach und er dadurch die Herta. Keine Frage, die kommen wieder zusammen, aber der Brenner auch via Partnerweb nach Nischni Nowgorod zur Nadeshda, sprich Russin.
Mehr sei nicht verraten, weil Krimi trotz Literatur. Nur so viel, Du lernst eine ganze Menge:
— Muskelbilder, quasi Tätowierungen, erleichtern die Identifikation verstümmelter Wasserleichen und die Arbeit des Chirurgen.
— Ähnliches ließe sich vom Graecum sagen, wer das besitzt, erkennt, wenn er nicht griechische, sondern kyrillische Buchstaben, sprich Russisch, vor sich hat.
— Wer unter Angehörigen leidet, die nicht zum Aushalten sind, sollte wandern.
— Bergsteiger, denen die Luft zu dünn ist, um das Maul zu halten, reden zu viel.
— Auch kastrierte Stiere können Frauen entführen.
Und dann hatte ich noch ein ganz persönliches Aha-Erlebnis, was mit der noch nicht lange zurückliegenden Lektüre des neuen Romans von Markus Orths zusammenhängt. In Alpha & Omega begegneten mir nicht nur der Zauberberg und andere Werke der Weltliteratur. Nein, ich hatte ziemlich zu Beginn auch eine Brenner-Erscheinung, quasi Wolf Haas. Im siebten Kapitel des ersten Teils trifft Bitch auf Mama-Aga, die ihr Leben neu erleuchtet, „sprich Energie-Übertragung, also quasi Akku-Auffüllung“, was ich zunächst noch als zufällige Formulierungsparallele hinnahm. Im weiteren Verlauf des Kapitels schildert Orths, oder besser sein Erzähler (sic!) Elias, die unermüdlichen wie ungeschickten Annäherungen des verliebten Kolja. Dessen Einkäufe in Bitchs Esoterik-Laden erinnerten mich sehr daran wie Benjamin Baumgartner in einer Bude einen Beefburger bestellt. Das eigentliche Objekt der Begierde ist selbstverständlich auch hier eine Frau, wie Wolf Haas in Missionarsstellung beschreibt. Ich habe da allerdings immer noch an den Zufall geglaubt. Erst als mir in Brennerova ein Alpha und ein Omega begegneten, ist der Groschen gefallen. Gegenzitat, großartig.
Ich habe daraufhin ein wenig gesucht und bin schnell wieder bei Markus Orths gelandet.
Noch was gelernt: Aufmerksam lesen und zwar alles.
Wolf Haas, Brennerova, Hoffmann & Campe, 1. Aufl. 2014