Red’ nicht so viel, lass uns lieber spielen
Lesenswert, die neue Literatursendung des SWR, unterscheidet sich vor allem in einem von ihrem Vorgänger Literatur im Foyer. Thea Dorn wird sich nie mehr mit dem Rat, „Nehmen Sie ein gutes Buch mit ins Bett, Bücher schnarchen nicht“ verabschieden. Warum? Ganz einfach, es ist noch hell draußen. Während derjenige Zuschauer, der nicht die zeitliche Ungebundenheit der Mediathek nutzt, durch sein Fenster ins Dunkle sieht, leuchtet es hell hinein ins Mainzer Kulturzentrum in der Dagobertstraße, kurz KUZ. Zu hell für meine Begriffe. Im Ambiente einer Stadtbücherei mit Finanzierungsbedarf fällt das wie zufällig platzierte Publikum durch gesenkte Köpfe und pastellfarbene Schals auf.
Aber dies sind Äußerlichkeiten. Wie war der Inhalt, welche Überraschungen hielt die Literarische Wundertüte, wie der SWR die Sendung bezeichnet, für den Zuschauer bereit?
Für mich eine große, denn den Programmpunkt Leben in drei Büchern, von dem ich nicht viel erwartet hatte, fand ich am interessantesten. Die Schauspielerin Bibiana Beglau machte im amüsant freundschaftlichen Gespräch mit Thea Dorn Lust auf die vorgestellten Titel. Sendaks „Wo die wilden Kerle wohnen“ mal ausgenommen, auf derartige Kinderbuchklassiker könnte ich in einer Literatursendung verzichten. Aber ein bekanntes Buch wird wohl auch in Zukunft immer dabei sein, soll es doch zu Beginn die Interaktion mit dem Publikum entfachen. Die Frage nach dem Woher des ersten Satzes stellten schon Mangold und Fried in der wieder abgesetzten ZDF-Sendung „Die Vorleser“. Dort konnte man den Titel gewinnen, hier ein Freigetränk. Das scheint die bessere Wahl, denn Weingläser werden offensichtlich im KUZ gut eingeschenkt.
Das eigentliche Gespräch folgte im zweiten Programmteil. Beglau erzählte von ihren ersten Erfahrungen mit Henry Millers „Sexus“ und entwickelte eine kreative Kunstkritik zu Miró. Der anschließend empfohlene „Roman mit Kokain
“ des russischen Autors M. Agejew, den auch Thea Dorn begeistert gelesen hatte, weckte mein Interesse. Ich hätte gerne mehr gehört, doch die Zeit, sie reichte nicht, so wie ich es befürchtet hatte.
Wertvolle Sendezeit wurde an Spielchen verschenkt. Besonders das Gespräch mit Rüdiger Safranski über seine neue Biographie „Goethe — Kunstwerk des Lebens“ litt darunter. Die beiden Einsprengsel waren zwar angenehm zurückhaltend, konnten mich aber nicht überzeugen. Warum soll der eloquente Safranski dem Zuschauer Goethe in einer Art Retro-Powerpoint, Postkarten wurden auf eine Tafel gepinnt, vorstellen? Warum wird das anschließende Gespräch unterbrochen, um ein weiteres Mal die Nähe zum Publikum zu suchen? Zu den Fragen an Goethe, die Safranski quasi als Medium des Dichterfürsten beantworten sollte, waren, wie das Ergebnis zeigte, nur wenige Anwesende aufgelegt. Vielleicht hätten sie lieber eine der lustigen Literaturfragen beantwortet, denen sich der Gast stellen musste. „Mit welcher Romanfigur wären sie gerne verheiratet und mit welcher auf keinen Fall?“ Vielleicht hätten sie gerne ein wenig mehr von der improvisierten Faustvorstellung gesehen, in der Safranski als Gretchen glänzte? Das sind alles nette Ideen, die auf einer lustigen Bücherparty Laune machen können. Doch in der halbstündigen Literatursendung zerfasern sie die knapp bemessene Sendezeit und rauben den Diskussionen den Raum fürs Detail. Was will dadurch erreicht werden? Ein junges, ein großes, ein neues Publikum? Im schlimmsten Fall ein anderes, wenn die bisherigen Zuschauer keine Lust auf Spielchen haben. Das wäre schade.
Durch die nächste Sendung am 26. September führt Felicitas von Lovenberg. Gäste sind Clemens Meyer, dessen aktueller Roman „Im Stein“ auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises steht, und der Journalist Harald Martenstein, der sein Leben in drei Büchern vorstellt.
Mir ging es ganz ähnlich. Große Teile des Safranski-Teils waren unnötig und verkürzten so die sowieso nur kurz bemessene Zeit. Auch die alberne Faust-„Inszenierung” war komplett überflüssig. Zu viel Action für eine Literatursendung, die ja wohl aber gerade anders sein soll als „Literatur im Foyer”, das den Machern wohl etwas verstaubt erschien, meiner Meinung nach aber durchaus dem Thema Literatur angemessen war. Mal sehen, wie die Nachfolgesendung mit Felicitas von Lovenberg läuft…
Danke für Deinen Kommentar.
Mir ist es auch schleierhaft, wieso Elemente eingebaut werden, die andere Sendungen längst wieder abgebaut haben. Außerdem zeigt zum Beipiel „Das Blaue Sofa” auf den Buchmessen, daß Leser sehr wohl an Gesprächen mit den Autoren über ihre Bücher interessiert sind. Nichtleser wird man kaum für eine derartige Sendung gewinnen können.
Aber wir werden sehen, wie die zweite Folge läuft, die allerdings auch schon längst abgedreht ist.
Vollkommen d´accord!
Habe gestern die Wiederholung gesehen und bin sehr enttäuscht.
Diese Bröckchen‑, Entertainment- und Interaktiv-mit-den-Zuschauern-Linie macht die Sendung kaputt.
Während mich die luziden Gespräche mit der stets gut vorbereiteten Thea Dorn bei den bisherigen Folgen von „Literatur im Foyer” immer sehr angeregt haben, habe ich mich gestern nur aufgeregt über diese „Wolle-lustig-sein-Häppchen.
Und am Ende Papa Safranski weinselig auf dem Sofa, rechts und links ein juxendes Mädel — da musste ich echt schon wieder lachen.
Liebe Doris, beinahe hätte ich gesagt, schön, daß es Dir auch so geht. Aber es ist ja eher schade. Ich hoffe, daß die Sendung noch die Kurve kriegt, bevor sie ihre treuen Zuschauer endgültig verliert.