In „Noch ein Martini und ich lieg unterm Gastgeber“ charakterisiert Michaela Karl die amüsanteste Kritikerin New Yorks
„If I abstain from fun and such,
I’ll probably amount to much,
But I shall stay the way I am,
Because I do not give a damm.“ (Parker, Complete Poems)
Unlängst beklagte der amerikanische Autor Dwight Garner in The New York Times die Überhandnahme von Kuschelkritiken. Vielleicht dachte er bei seinem Ruf nach wahren Rezensenten, die neben Lob auch harte Kritik äußern, an die berühmteste Kritikerin New Yorks zurück, Dorothy Parker? Ihr fiel es nie schwer eine Rezension folgendermaßen zu beenden, „Diesen Roman sollte man nicht einfach so weglegen, man sollte ihn voller Hingabe in die Ecke feuern.“
Dorothy Parker, die nicht nur Kritiken, sondern auch Gedichte, Drehbücher und Kurzgeschichten verfasste, widmet die Politologin und Historikerin Michaela Karl eine Biographie, deren Titel „„Noch ein Martini und ich lieg unterm Gastgeber“ sie nicht besser hätte wählen können. Er weist auf die großen Leidenschaften Parkers hin, den Hang zu Männern und die Liebe zum Alkohol, sowie die Gabe deren beider Nachwirkungen mit sarkastischen Bonmots zu kurieren. Weitere Rollen spielten neben dem Schreiben nur noch Hunde und Hüte.
Das trotz all dieser Umstände immerhin über siebzig Jahre währende Leben der 1893 geborenen Dorothy Rothschild verfolgt Karl in zehn Kapiteln auf 233 Seiten. Sie schildert in chronologischer Abfolge wie die scharfzüngige Parker zur „geistreichsten Frau New Yorks“ wurde. Zudem zeigt sie anhand zahlreicher Zitate den intellektuellen Sarkasmus dieser Autorin, der das Einfühlen in das Unglück nicht fremd war, da es sich oft genug um ihr eigenes handelte.
Ihre journalistische Karriere beginnt Dorothy Parker bei der Vogue mit äußerst unkonventionellen Berichten über Einrichtungsstile und Modeneuheiten. Bei Vanity Fair wird sie als Nachfolgerin von P. G. Wodehouse die erste weibliche Theaterkritikerin der Stadt. Sie schreibt außerdem für Esquire, Life und für The New Yorker. Dort verfasst sie als „The Constant Reader“ die Kolumne „Recent Books“. Einige der amüsantesten dort publizierten Verrisse zitiert die Biographie.
Dorothy Parker ist für ihren Sarkasmus berüchtigt. Ein tägliches Training in dieser Disziplin war der Round-Table im Hotel Algonquin, wo sie zur Happy Hour im Vicious Circle mit befreundeten Journalisten und viel Spott die Tagesereignisse kommentiert.
Neben ihren journalistischen Schriften verfasst sie Gedichte und Kurzgeschichten. Sie schreibt über Abhängigkeiten in Liebesbeziehungen, über die Dummheit der Männer wie die der Frauen, nimmt die Verhaltensweisen der Upper Class aufs Korn, beides mit Selbstironie, denn auch sie strauchelt oft in Liebeswirren und lebt die Rituale der Großstadt. Gleichzeitig kämpft sie gegen Rassismus an, sammelt für jüdische Flüchtlinge, unterstützt ihre unter McCarthy verfolgten Kollegen. Die Rechte an ihren Schriften vererbt sie Martin Luther King, sie gehen nach dessen Tod an die schwarze Bürgerrechtsorganisation NAACP.
In der vorliegenden Biographie schildert Karl auch die privaten Beziehungen Parkers. Es erstaunt wie viele literarische Persönlichkeiten mit ihr in Kontakt standen, unter ihnen Fitzgerald, Somerset Maugham und Hemingway. Die intimen Beziehungen zu ihren Männern und Liebhabern bleiben natürlich nicht unerwähnt. Leider sind diese Darstellungen manchmal von Wiederholungen und küchenpsychologisch anmutenden Pauschalurteile durchzogen, wie „Wie so viele Frauen fühlt sich Dorothy Parker angezogen von gutaussehenden Männern, die ihr intellektuell nicht das Wasser reichen können“. Dennoch bietet sich eine interessante Lektüre voller Informationen, deren Belegstellen in den angehängten Anmerkungen aufgeführt sind. Hier hätte die Leserin sich noch manche weiterführende Erläuterung gewünscht. Aber vielleicht hätte dies den Rahmen dieser Biographie gesprengt, die immerhin noch eine umfangreiche Literaturliste und ein Personenregister bietet. Ob allerdings Georg Clooney und so manch” andere moderne Berühmtheit etwas in einer Biographie über Dorothy Parker zu suchen haben, sei bezweifelt.
Es ist sicherlich nicht verkehrt, diese Biographie zu lesen. Vollkommen richtig ist aber die Lektüre der Werke Dorothy Parkers. Bei ihren Gedichten muss man zum Original greifen. Die Kurzgeschichten sind bei Kein&Aber neu aufgelegt. Einige finden sich in einer von Elke Heidenreich gelesenen Hörbuchfassung.
Last but not least, für alle, die weder lesen noch hören möchten, sei auf den 1994 erschienenen Film von Alan Rudolph „Mrs. Parker and the Vicious Circle“ verwiesen.
Michaela Karl, Noch ein Martini und ich lieg unterm Gastgeber. Dorothy Parker. Eine Biographie. Residenz Verlag, 4. Aufl. 2011
Danke, für die tollen Tipps für Dorothy Parker Liebhaber! Ich bin bisher zwar noch nicht über ihre Kurzprosa hinaus gekommen, das Gedicht was Du am Anfang zitierst lässt aber auf viel weiteres hoffen, besonders eine scharfe Zunge 😉
Die Biografie habe ich übrigens auch im Regal, leider noch nicht gelesen. Du hast recht, der Titel ist einfach genial und wird sicher auch Parker Unerfahrene zum Buch locken. Der Satz über die Frauen und ihre hübschen, doch wenig klugen Männer, lässt mich wiederum kurz an der Qualität des Stils der Biografin zweifeln.
Auch wenn ich das Buch bisher noch nicht kenne und also nicht weiß, ob mir der Stil gefällt oder nicht, denke ich, Du sagst da schon was wahres, wenn Du vorschlägst, anstatt oder vielleicht zusätzlich zur Biografie, Dorothy Parkers Werk an sich zu lesen. Und das werde ich auf jeden Fall tun!
LG und hab eine schöne, lesereiche Woche,
Katarina 🙂
Mir geht es ähnlich wie Dir, Katarina, ich kenne nur einige von Parkers Kurzgeschichten. Lesen möchte ich ihre Gedichte und vor allem ihre Literaturkritiken. Michaela Karl hat die biographischen Angeben zu Parkers Texten korrekt angegeben, das ist einer der Vorzüge dieses Biographie.
Vielleicht treffen wir uns noch mal zu einer Parkerdiskussion. Spätestens bis dahin wünsche ich auch Dir viel Lesevergnügen.