Eine gelungene Moselreise des jungen Hanns-Josef Ortheil
Wäre es bereits Frühling, würde ich am liebsten sofort zu einer kleinen Moselwanderung aufbrechen. Es wäre eine Nostalgiefahrt, denn in Trier aufgewachsen und in einem Moselstädtchen geboren verbrachte ich viele Jahre zwischen Römern, Weinbergen und Burgen.
Im vorliegenden Buch mit dem schnörkellosen Titel „Die Moselreise“ handelt es sich um ein Reisetagebuch, welches der junge Hanns-Josef Ortheil im Jahr 1963 verfasst hat. Der Text entstand aus Beschreibungen, Aufzeichnungen und Gesprächsnotizen, die der Elfjährigen am Ende der Reise zusammenfügte. Ortheil beschreibt die Genese des Textes, der auch als Ergänzung seines autobiographischen Romans „Die Erfindung des Lebens“ gelesen werden kann, ausführlich im Vor- und Nachwort.
Die Reise beginnt mit einer Bahnfahrt nach Koblenz. Seine vertraute Heimatstadt Köln mit dem prächtigen Dom und der geliebten Mutter lässt der Junge zurück und tauscht sie gegen eine neue Erfahrung ein, das gemeinsame Reisen mit dem Vater. Den größten Teil der Route absolvieren die Beiden auf Schusters Rappen. Zur Abwechslung besteigen sie mal ein Schiff oder nehmen das Fahrrad. Gegen Ende bringt sie sogar einer der schaukelnden Moselbusse nach Bernkastel-Kues bevor sie dann in Traben-Trarbach erneut mit den Zug nach Trier reisen, dem End- und aus verschiedenen Gründen auch Höhepunkt der Tour. Diese ist eine durch und durch Gemütliche, auch wenn schon mal zwanzig Kilometer am Stück bewältigt werden und oft nach Erreichen des täglichen Etappenziels und einer kurzer Rast noch ein Spaziergang zu nächsten Burgruine folgt. Überhaupt ist es sehr erstaunlich, welche Strecken dieses Kind ohne Murren zurücklegte. Ob dies damals eher hingenommen wurde oder am pädagogischen Geschick des Vaters lag, kann nur vermutet werden. Dieser Vater versteht seine Interessen zu wahren und den kindlichen Vergnügungen gerecht zu werden. Mosel, das bedeutet also Fluss und Fische, Burgen und Berge, Winzer und Wein. Am Fluss kann man entlang laufen, ihn mit Floß und Schiff befahren und in den Untiefen des Uferbereiches viele Fische entdecken. Damals, 1963, konnte man noch in ihm schwimmen ohne sich der Gefahr von Hautausschlägen oder Schlimmerem auszusetzen. Hätte diese Reise ein Jahrzehnt später stattgefunden, so hätten sie im Niedrigwasser unter der Trier Römerbrücke sogar nach Münzen und Marmorbüsten suchen können. Doch in die Römerstadt führt das Buch erst am Ende der Reise.
Bis dahin bietet sich auf den Wanderrouten oft die Gelegenheit für einen kleinen Genuss, für den Erwachsenen wie auch für das Kind. Sei es ein Bad in der grünen Mosel, eine Bratwurst, oder ein Glas Wein. Sie lassen gemeinsam Steine über das Wasser flitzen und während der Vater sich bei den Winzern im Ort über Weinbau informiert, erkundigt er sich, was es Interessantes für einen Jungen zu tun gäbe. Das Resultat ist eine kleine Moselmutprobe, die erste Fahrt auf einem Fährfloß. Verabredet der Vater mit dem Pensionswirt eine abendliche Weinprobe, so findet sich für den Jungen ein gleichaltriger Fußballpartner. Sonst ist der Vater der Gefährte, der Junge lauscht gerne seinen Erklärungen, erkundigt sich nach den Zeitungsmeldungen, sie diskutieren über das Vatikan Konzil, über ihre Reiselektüren –Fury und Ausonius
-, sie besichtigen Kirchen und Burgen, man probiert die Moselweine, Hanns natürlich nur theoretisch als Traubensaft. Die wesentliche Erfahrung ist jedoch die Vertrautheit mit dem Vater, wovon die kurzen fast psychologischen Verhaltensbeobachtungen Auskunft geben. Das war wohl auch die Intention des Unternehmens. Hanns gewinnt auf dieser Reise Vertrauen in sich selbst und in die Fremde. Ungewohnte Erlebnisse wie die Floßfahrt, die Nähe zu den Wirtsleuten in der Privatpension, Gespräche mit Fremden lösen ihn behutsam von der engen Mutterbindung. Ein Klavier, das Heimweh und Sehnsucht auslöst, markiert diesen Entwicklungsschritt.
Die letzten Tagen verbringen sie gemeinsam mit der Mutter in einer kleinen Ferienwohnung am Trierer Moselufer. Sie besuchen die kleinen Fischerlokale in Zurmaien und frühstücken im Café in der Steipe bevor sie die Römerbauten besichtigen. Auch Nordbad und Landesmuseum stehen auf dem Programm.
Dieser Reisebericht einer Moselfahrt war für mich eine ganz besondere Voyage sentimental.
Nur eine kleine Moselkarte wäre schön gewesen, damit man die Wegstrecken nach verfolgen und die Lage der Orte und Sehenswürdigkeiten finden kann. Ein kleiner Trierplan und andere Abbildungen sind im Buch enthalten. Die Übersichtskarte der Mosel sei also an dieser Stelle ergänzt.