Vorliebe, der neue Roman von Ulrike Draesner
Eine Jugendliebe, sei es nun eine unausgelebte oder gar eine große, wieder zu treffen nachdem man sein ganzes Erwachsenenleben anderweitig geliebt hat, mag passieren, in Romanen sogar nicht selten.
Auch Ulrike Draesner baut in ihrem neuen, und mit dem Solothurner Literaturpreis ausgelobten Roman Vorliebe, auf eben diese Idee. Gespannt verfolgt die Leserin, wie eine Unachtsamkeit im Straßenverkehr einen Unfall verursacht, dessen Spätfolgen fatal um nicht zu sagen tödlich sind.
Ein Stoff aus dem Pilcherträume erwachsen? Mitnichten. Zwar gibt es auch hier exotische Namen, Saramandipur und Olvaeus, und sogar einen rothaarigen Engländer, Ashley. Es gibt eifersüchtige Ehefrauen, gewalttätige Ehemänner, ein liebendes Paar, unverstandene Teenager in Nebenrollen, versteckte rosafarbene Stringtangas. Neben Liebe, Glaube, Hoffnung verführen in Pfarrers Seelenhaushalt Astrophysik und Dinosaurier zu Fesselsex und Tätowierung. Das Ende, ein Lachanfall der Heldin im Angesicht des Todes des Helden, ist eindeutig kein Happyend, sondern eher ein Fall für Freud. Also kein Pilcher, kein ZDF-Filmchen mit Christiane N. oder Veronika F., sondern ein in schöner poetischer Sprache verfasstes Buch mit einer letztendlich vollkommen belanglosen Handlung.
Angesichts der positiven Aufnahme dieses Romans in den Feuilletons war die Leserin zunächst stark verunsichert ob ihrer Ablehnung. Auch die vielen Literaturzitate, auf die Draesner am Ende des Buches verweist, sind während des Lesens nicht angekommen. Wie manche Rezensenten diesen Liebesroman als Variation der Wahlverwandtschaften zu interpretieren, scheint wenig originell, zumal es sich nur um eine halbe solche handelt.
Dementsprechend gespannt erwartete ich den Literaturclub des Schweizer Fernsehens, Frau Radisch und ihre Gäste würden wenigstens einige literarischen Anspielungen in diesem Werk ans Licht bringen. Doch die Besprechung fiel anders aus, mehr Verwunderung bei den Kritikern als literaturkritische Auseinandersetzung. Die Bewertung fiel insgesamt nicht sehr positiv aus, sogar die berüchtigten Feuchtgebiete dienten als Vergleich, was ich allerdings übertrieben fand.
Über Geschmack kann man also doch streiten.