Klischee-Kunst

Christine Fivians „Das Bild” erzählt vom Künstler und seinen Musen

Drei schma­le, fast zwei Me­ter ho­he, an­ein­an­der­ge­scho­be­ne Bil­der, dar­auf sche­men­haft er­kenn­bar ei­ne vor­über­ei­len­de wei­ße Ge­stalt, ein We­sen aus dem Nichts, das flüch­tig er­scheint und wie­der im Nichts verschwindet.“

Die­se kur­ze Be­schrei­bung ei­nes Tri­pty­chons steht zu Be­ginn des Ro­mans von Chris­ti­ne Fi­vi­an, des­sen Ti­tel schlicht Das Bildlau­tet. Der Ver­lag „Edi­ti­on Xan­thip­pe“ sieht in ihm „ei­ne Ge­schich­te, die im­mer wie­der zu­rück­kehrt zu ei­nem Bild mit dem Ti­tel „Die Göttin“, .…“

Nun war Xan­thip­pe, der Ver­lag nennt sie euf­e­mi­nis­tisch „Vor­den­ke­rin des So­kra­tes“, eher als des­sen streit­lus­ti­ges Weib be­kannt, und die­se Lust er­wacht auch in mir wäh­rend der Lek­tü­re, da der Ro­man, — der Klap­pen­text sie­delt ihn „zwi­schen Künst­ler­ro­man und Kri­mi­nal­ge­schich­te“ an‑, ei­ne Er­war­tung er­zeugt, die er nicht ein­zu­lö­sen vermag.

Er er­zählt von drei Frau­en über sech­zig, die sich je­doch nicht wie in Frau­en­ro­ma­nen üb­lich von ih­rem Haus­frau­en­da­sein eman­zi­pie­ren und an den Män­nern rä­chen wol­len. Nein, sie kämp­fen um ihr Recht an der Kunst. Das Kunst­werk mit dem pro­gram­ma­ti­schen Ti­tel „Die Göt­tin“ bringt die Ge­schich­te ins Rol­len. Als der Künst­ler es von sei­ner letz­ten Le­bens­ge­fähr­tin, Al­ma, zu­rück­for­dert, um es sei­ner neu­en Lie­be zu schen­ken, re­agiert sie mit Un­ver­ständ­nis und mo­bi­li­siert ih­re Freun­din­nen. Schließ­lich war es ihr Mu­sen­kuss, der Paul einst die Idee zum Mo­tiv ein­gab. Der Rat der Frau­en be­steht ne­ben Al­ma, aus Mo­na und Li­sa (sic!), drei Frau­en, die al­le­samt ehe­ma­li­ge Ge­lieb­te Pauls und mit ih­rem Le­ben un­zu­frie­den sind. Da­ge­gen wird mit gu­tem Es­sen und Wein vor­ge­gan­gen bis zum Plan, Paul ins Ge­wis­sen zu reden.

Der Künst­ler lebt, com­me il faut, in der fran­zö­si­schen Pro­vinz, wo man vor­züg­lich kocht und trinkt. Bis auf letz­te­res wird dies aus­schließ­lich von den Frau­en er­le­digt, im­mer­hin sind ge­nug da­von da. So ver­kün­det Al­ma dem Künst­ler, der nach dem Grund des Be­suchs fragt, „Das ver­ra­ten wir Dir gleich, aber zu­erst hol ich uns mal fri­sche Ba­guettes und mach uns ei­nen Kaf­fee“. Sie ba­cken, ko­chen und räu­men auf. Paul, dem ver­meint­li­chen Künst­ler­pascha, bleibt nichts als sich in die Rol­le zu fü­gen, in die Fi­vi­an ihn mit ih­ren drei Ver­bün­de­ten drängt. Wie in ei­nem Lo­re­ro­man agiert er in po­ten­ter Pro­mis­kui­tät, da un­wi­der­steh­lich und at­trak­tiv, „gross ge­wach­sen, selbst­si­cher, be­ein­dru­ckend – die­ses Bild sieht Al­ma noch im­mer ganz deut­lich vor sich. Er ge­fiel ihr auf An­hieb. Vor al­lem sei­ne Au­gen. Auch wenn sie nicht sa­gen konn­te, wel­che Far­be sie hat­ten. Und sei­ne Hän­de. Star­ke und doch sen­si­ble Hände.“

Auch die drei Da­men wer­den kli­schee­haft cha­rak­te­ri­siert und blei­ben des­halb trotz aus­führ­li­cher Ex­po­si­ti­on auf ei­nem Drit­tel der rund 150 Ro­man­sei­ten blass. Die Buch­händ­le­rin Al­ma trägt ei­ne Bril­le. Li­sa ist seit ei­ner Ver­ge­wal­ti­gung les­bisch. Mo­na kocht als nicht be­rufs­tä­ti­ges Fa­mi­li­en­tier für ihr Le­ben gern.

Wei­te­re The­men, wie ein Schwei­zer Ab­hör­skan­dal und In­zest über­frach­ten die Sto­ry. Die­se hat schließ­lich noch ei­nen To­des­fall auf­zu­klä­ren, was ihr hin­läng­lich ge­lingt. Am En­de die­ser Be­zie­hungs­ge­schich­te der Schuld­ge­füh­le ist der Groß­teil des Per­so­nals tot. Die Idee des Ro­mans, das Schick­sal ei­nes Kunst­wer­kes mit den Bio­gra­phien der Be­tei­lig­ten zu ver­knüp­fen, er­lag lei­der eben­falls ei­ner Fül­le von Klischees.

 Chris­ti­ne Fi­vi­an, Das Bild, Edi­ti­on Xan­thip­pe, Zü­rich, 1. Aufl. 2013

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