Ratgeber zum Lesen, Schreiben und Kritisieren

Eine gelungene Gebrauchsanweisung „Wie man den Bachmannpreis gewinnt“ von Angela Leinen

Nein, ich will nicht dem­nächst nach Kla­gen­furt, we­nigs­tens nicht als ak­ti­ver Teil­neh­mer des Wett­le­sens. Aber ich woll­te so­fort nach dem En­de des dies­jäh­ri­gen Events noch mehr dar­über er­fah­ren. So lan­de­te ich als frisch Be­werbs­in­fi­zier­te zu­nächst auf dem Blog der So­pra­nis­se und schließ­lich bei ih­rem Buch, der „Ge­brauchs­an­wei­sung zum Le­sen und Schrei­ben“. Es hät­te auch mit Be­rech­ti­gung die Ti­tel „Rat­ge­ber für Kri­ti­ker und Ju­ro­ren“ oder „Klei­ne Ge­schich­te des Bach­mann-Wett­be­werbs“ tra­gen können.

Dass die­ses Buch mir so viel Spaß ma­chen wür­de, hät­te ich nicht ver­mu­tet. Schon gar nicht nach dem ers­ten Blick auf das nüch­tern wir­ken­de Co­ver­de­sign. Doch nach ei­nem Vor­wort von Kath­rin Pas­sig legt Lei­nen los und ana­ly­siert or­dent­lich und ge­wis­sen­haft, aber mit not­wen­di­ger Iro­nie die wich­tigs­ten Punkte.

Wel­che The­men eig­nen sich als Er­zähl­stof­fe? Wie er­kennt man Kitsch? Sind Ta­bu­brü­che för­der­lich? Wel­che In­hal­te ver­sper­ren dem Buch au­to­ma­tisch das Tor zur Literatur?

Wenn es nur dar­um geht, nicht vor Lan­ge­wei­le zu ster­ben, ist uns mit ei­ner gut ge­bau­ten eng­li­schen Fa­mi­li­en­ge­schich­te, ei­nem schlich­ten Berg­dra­ma­be­richt oder ei­nem Ei­fel­kri­mi ganz gut ge­dient. Aber wir ha­ben ja auch ir­gend­wann auf­ge­hört, Kin­der­bü­cher zu le­sen.“ (S. 52)

Un­ter den zahl­rei­chen Mög­lich­kei­ten der Er­zähl­per­speki­ve exis­tie­ren ei­ni­ge, wel­che ein Au­tor nur mit äu­ßers­ter Vor­sicht an­wen­den soll­te. Noch le­ben­de Per­so­nen könn­ten mit ei­ner Kla­ge re­agie­ren, die Fach­welt auf his­to­ri­sche Fi­gu­ren mit Ge­läch­ter. Wel­ches sich wie­der­um un­wei­ger­lich bei zu gro­ßer Ko­in­zi­denz mit ei­nem hem­mungs­los of­fe­nen Au­tor ein­stellt. Die Fal­len, die bei der Er­fin­dung und Ent­wick­lung des Prot­ago­nis­ten auf den Au­tor lau­ern, be­gin­nen mit der Na­mens­fin­dung und sind mit den Tü­cken der Rol­len­pro­sa und kli­schee­haf­ten Ver­su­chun­gen noch nicht zu En­de. Zu die­sem The­men­be­reich fin­det sich im Buch ein Gast­bei­trag des Schrift­stel­lers und dies­jäh­ri­gen Ge­win­ners des Leip­zi­ger Buch­prei­ses Cle­mens J. Setz.

Wenn Stoff und Prot­ago­nist ge­fun­den sind, geht es dar­um die Hand­lung vor­an zu trei­ben. Oder eben auch nicht. Denn gu­te Li­te­ra­tur braucht nicht un­be­dingt ei­nen Plot, wie nach mei­ner Mei­nung Wil­helm Gen­a­zi­no im­mer wie­der in sei­nen Bü­chern be­weist. Wo­hin­ge­gen man­che Ge­schich­te nur durch ei­ne ein­zi­ge span­nen­de Fra­ge den Le­ser bei der Stan­ge hält, um oft am En­de wie ein zu lan­ge durch die Luft ge­se­gel­ter Bal­lon schlaff zu­sam­men zu fal­len. Die Au­torin dis­ku­tiert die Wahl und Ge­stal­tung der Hand­lungs­or­te um mit ei­nen klei­nen Ein­blick in das wei­te Feld des Zwi­schen­mensch­li­chen zu schlie­ßen. Ob die­ses je­doch nur aus Re­den und Sex be­steht, sei da­hin gestellt.

Auf je­den Fall ge­lingt es An­ge­la Lei­nen, die zum Teil sehr ana­ly­tisch wir­ken­de Ge­brauchs­an­wei­sung durch vie­le An­ek­do­ten aus den Jah­ren des Kla­gen­fur­ter Wett­be­werbs auf zu lo­ckern. Ei­ni­ge der bes­ten Bon­mots der ver­meint­li­chen „Pro­fi­nörg­ler“, dar­un­ter Iris Ra­disch, De­nis Scheck, Pe­ter von Matt fin­den sich in die­sem Buch, er­gänzt von ei­nem In­ter­view mit Da­nie­la Strigl.

Ab­ge­run­det wird das Gan­ze durch den Kri­te­ri­en­ka­ta­log der „Au­to­ma­ti­schen Li­te­ra­tur­kri­tik der Rie­sen­ma­schi­ne“, die in die­sem Jahr Li­nus Reich­lin als Wür­den­trä­ger errechnete.

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