Marito und der Kitschschreiber

Wie Mario Vargas Llosa einst Medienkritik übte

Der In­halt des 1977 er­schie­nen Ro­mans Tan­te Ju­lia und der Kunst­schrei­ber ist, so­fern noch nicht hin­läng­lich be­kannt, kurz er­zählt. Ein jun­ger Stu­dent in Li­ma ver­dient sich als Nach­rich­ten­re­dak­teur ei­nes lo­ka­len Ra­dio­sen­ders ein Zu­brot, wäh­rend er ei­gent­lich ei­ne Kar­rie­re als Schrift­stel­ler er­träumt. Ei­nen sol­chen oder bes­ser den Schrei­ber quo­ten­träch­ti­ger Ra­di­o­no­ve­las lernt er bald ken­nen und be­nei­det die­sen um sei­nen Pu­bli­kums­er­folg. Erst nach und nach er­kennt er, und mit ihm auch der Le­ser, dem in je­dem zwei­ten Ka­pi­tel ei­nes die­ser Dra­men prä­sen­tiert wird, daß er­folg­rei­che Hör­spie­le nicht un­be­dingt et­was mit Li­te­ra­tur zu tun ha­ben müs­sen. Die an­de­ren Ka­pi­tel er­zäh­len die au­to­bio­gra­phisch in­spi­rier­te Lie­bes­ge­schich­te des 18-jäh­ri­gen Ma­ri­to mit sei­ner 32-jäh­ri­gen Tan­te Ju­lia, de­ren in­ner­fa­mi­liä­re Kon­flikt­hal­tig­keit al­lei­ne schon ein Hör­spiel­dra­ma ab­ge­ben würde.

Wenn man sich nicht von dem No­bel­preis be­ein­dru­cken lässt und un­vor­ein­ge­nom­men zu die­sen Buch greift, ist der Är­ger vor­pro­gram­miert. War­um, so frag­te sich die Le­se­rin, ver­schwen­de ich kost­ba­re Le­se­zeit mit ei­ner halb­ga­ren Love­sto­ry und noch schlim­mer mit Ge­schich­ten, die Sen­sa­ti­ons­gier und Voy­eu­ris­mus be­die­nen und bes­ser in die Klatsch­spal­ten der Bun­ten Blät­ter als zwi­schen zwei Buch­de­ckel des Suhr­kamp Ver­la­ges pas­sen würden.

Doch spä­tes­tens, wenn ein schreck­li­cher Un­glücks­fall das Le­ben ei­nes un­schul­di­gen Kin­des viel­leicht aus­löscht, wel­ches dann nach ei­nem wei­tern, al­so ins­ge­samt nach ei­nem Dop­pel­un­glück, ganz be­stimmt vor­bei ist, spä­tes­tens dann er­kennt auch die an­fangs Ah­nungs­lo­se, daß es sich um herr­li­che Gro­tes­ken han­delt und über­lässt sich ge­nüss­lich den fol­gen­den Sei­ten. Kein auch nur ir­gend­wie vor­stell­ba­res Dra­ma im Klei­nen oder Gro­ßen wird aus­ge­las­sen. Al­les Mensch­li­che und erst recht al­les Un­mensch­li­che ver­ar­bei­tet der Kunst­schrei­ber Ro­ber­to zum Bal­sam für die Mas­se. Die­se klebt Tag für Tag vor den Ra­dio­ap­pa­ra­ten und lässt sich die Oh­ren voll lau­fen. Je schlim­mer des­to lieber.

Ähn­li­ches ist auch hier zu Lan­de be­kannt. Man muss noch nicht mal die bö­sen Pri­vat­sen­der her­bei­zi­tie­ren. Es reicht auch der her­kömm­li­che ZDF-Film, der ei­nen mit Glück und Un­glück ver­dumm­beu­teln will und dies die im­mer glei­chen Ge­stal­ten tun lässt. Sei es ein blon­des Su­per­weib oder ein nicht min­der weib­li­ches brü­net­tes. Oder auch der Kri­mi­na­ler des ARD, den der nächs­te Kri­mi zum Tä­ter macht. Wer soll sich da noch auskennen?

So er­geht es schließ­lich auch dem Kitsch­schrei­ber. Er bringt man­ches durch­ein­an­der, ver­hed­dert sich, ver­wech­selt Na­men. To­te ste­hen wie­der auf, aus Gy­nä­ko­lo­gen wer­den Or­tho­pä­den und ein Fuß­ball­sta­di­on wird zur Stier­kampf­are­na. Ver­rückt? Klar, ver­rückt! Der Schrei­ber, aber auch sei­ne Fans. Die nicht al­le mer­ken, wie ih­nen geschieht.

Und das Lie­bes­pär­chen? Das kriegt sich trotz wid­ri­ger Um­stän­de und trennt sich we­gen wid­ri­ger Um­stän­de, wie das Le­ben eben so spielt.

Der be­kann­te Ro­man des No­bel­preis­trä­gers Var­gas Llosa kann als Lie­bes­ge­schich­te oder als Hom­mage an Bal­zac ge­le­sen wer­den, als Schlüs­sel­ro­man mit bio­gra­phi­schen Hin­wei­sen, als süd­ame­ri­ka­ni­sche Ge­sell­schafts­sa­ti­re. Mir be­geg­ne­te er als ful­mi­nan­te Me­di­en­kri­tik, sehr iro­nisch, hell­sich­tig und uni­ver­sell gültig.

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