Kaum Überraschendes in der Longlist
Im Jahr 2005 wurde der Deutsche Buchpreis ins Leben gerufen. Ich fand es damals sehr spannend als mitten im Hochsommer vor der Frankfurter Buchmesse die Liste mit den 20 Kandidaten für den besten deutschen Roman veröffentlicht wurde. Wir jagten nach dem Leseprobenheft, tauschten Titel und gründeten Leserunden, spekulierten und diskutierten. Inzwischen sind sieben Jahre vergangen, in denen für mich die Luft raus und die Lust daran nicht mehr so groß ist.
Acht Mal wechselte die Zusammensetzung der Jury. Ihre jetzigen sieben Mitglieder, Andreas Isenschmid, Dirk Knipphals, Stephan Lohr, Jutta Person, Oliver Jungen, Christiane Schmidt und Silke Grundmann-Schleicher haben auf Facebook ihre Entscheidungsfindung bebildert. Das wirkt putzig und mag zeitgemäß sein. Das Resultat ihrer Bemühungen fällt jedoch wenig überraschend aus.
Die Hälfte der Autoren ist vor 1960 geboren, zwar verbirgt sich in dieser Liga alter Literaten auch ein Debütant, der aus Österreich stammende Argentinier Germán Kratochwil, die übrigen sind längst berühmt. Auch unter den Jüngeren finden sich etliche, die bereits einmal für den Deutschen Buchpreis oder seinen Zwilling aus Leipzig nominiert waren oder einen der beiden gar gewonnen haben, von anderen renommierten Literaturpreisen nicht zu reden. Eine auffällige Schnittmenge ergibt sich auch mit der SWR-Bestenliste, auf der sieben der Romane im entsprechenden Zeitraum verzeichnet waren.
Viele der Romane sind also in den Räucherkammern der Literaturbeilagen und Sendungen gut abgehangen. So erfuhren wir dank Wolfgang Herles wie es in Augustins blauem Haus aussieht oder ließen uns von Andreas Platthaus in der F.A.Z. einige der Bücher empfehlen. Sogar in der Blogwelt kursierten etliche der Neuerscheinungen.
Neben dieser sattsam gelobten Feuilletonware findet sich zum Glück auch weniger Bekanntes. Germán Kratochwills Scherbengericht, Michael Roes Die Laute und Ulf Erdmann Ziegler Nichts Weißes. Angelika Meiers zweiter Roman Heimlich, heimlich mich vergiss klingt für mich so interessant, daß ich ihn als Nächstes lesen werde.
Eine App mit allen Leseproben sowie das aus den Vorjahren bekannte Heftchen sollen Ende August erscheinen. Gute Buchhandlungen werden es im siebten Jahr wohl endlich vorrätig haben. Bei der Muse auf dem Bestsellerberg arbeitet man sicher schon am dbp-Stapel.
Welchen der Titel die Bücherab- oder besser Bestimmer auf der Shortlist belassen, veröffentlichen sie am 12. September. Die Preisverleihung erfolgt am 8. Oktober.
Longlist Deutscher Buchpreis 2012:
- Ernst Augustin: Robinsons blaues Haus (C. H. Beck, Januar 2012) SWR-Bestenliste März
- Bernd Cailloux: Gutgeschriebene Verluste (Suhrkamp, Februar 2012) SWR-Bestenliste Mai, Wilhelm Raabe 2012, nominiert mit Das Geschäftsjahr 68/69 für dbp 2005
- Jenny Erpenbeck: Aller Tage Abend (Knaus, August 2012) nominiert mit Heimsuchung für lbp 2008
- Milena Michiko Flašar: Ich nannte ihn Krawatte (Wagenbach, Januar 2012)
- Rainald Goetz: Johann Holtrop (Suhrkamp, September 2012) Berliner Literaturpreis 2012
- Olga Grjasnowa: Der Russe ist einer, der Birken liebt (Hanser, Februar 2012) SWR-Bestenliste März
- Wolfgang Herrndorf: Sand (Rowohlt.Berlin, November 2011) SWR-Bestenliste Februar, Leipziger Buchpreis 2012, nominiert mit Tschick für lbp 2011
- Bodo Kirchhoff: Die Liebe in groben Zügen (Frankfurter Verlagsanstalt, September 2012)
- Germán Kratochwil: Scherbengericht (Picus, Februar 2012)
- Ursula Krechel: Landgericht (Jung und Jung, August 2012)
- Dea Loher: Bugatti taucht auf (Wallstein, März 2012) SWR-Bestenliste Juni
- Angelika Meier: Heimlich, heimlich mich vergiss (Diaphanes, März 2012)
- Sten Nadolny: Weitlings Sommerfrische (Piper, Mai 2012) SWR-Bestenliste Juli/August
- Christoph Peters: Wir in Kahlenbeck (Luchterhand, August 2012)
- Michael Roes: die Laute (Matthes & Seitz Berlin, September 2012)
- Patrick Roth: Sunrise (Wallstein, März 2012) SWR-Bestenliste Mai
- Frank Schulz: Onno Viets und der Irre vom Kiez (Galiani Berlin, Februar 2012)
- Clemens J. Setz: Indigo (Suhrkamp, September 2012) Wilhelm-Raabe 2012, gewinnt mit Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes den lbp 2011, nominiert mit Die Frequenzen für dbp 2009
- Stephan Thome: Fliehkräfte (Suhrkamp, September 2012) Wilhelm-Raabe 2012, nominiert mit Grenzgang dbp 2009
- Ulf Erdmann Ziegler: Nichts Weißes (Suhrkamp, August 2012) Wilhelm-Raabe 2012