Kleine Kritik der Kritik
Der Wettbewerb ist vorbei, gewonnen hat ihn Olga Martynova mit ihrem Text „Ich werde sagen: Hi“. Weitere Preise gingen an Nawrat, Kränzler und Mahlke. Travnicek erhielt den Publikumspreis, was wenig überraschte.
Ebenso wenig überraschen konnten einige Mitglieder der Kritikerrunde, sie neigten zu den immer gleichen Aussagen und Verhaltensmustern. So kristallisierten sich bereits am Nachmittag des ersten Tages spezifische Reaktionen der einzelnen Jurymitglieder heraus. Corina Caduff bemühte gerne das Argument der Diskursivität. Sie hinterfragte die Themenstellung der Texte und ob Literatur dazu noch etwas beitragen könne. Sollte man dann das literarische Schreiben nicht ganz aufgeben, und sich auf Sprachexperimente verlegen, wie sie in diesem Jahr Hassinger einreichte? Dazu hat aber auch Caduff weder Zeit noch Lust. Lieblingswort: „diskursiv“.
Hildegard Elisabeth Keller präsentierte sich und ihren Zuhörern meist eine kleine Nacherzählung des Gehörten. Anstatt Verständnis erzeugte dies bei mir eher das Gefühl hilflos dem Redeschwall einer Lehrerin ausgeliefert zu sein. Treffenstes Wort: „Lebensplauderton“.
Burkhard Spinnen führte viel Gerede zunächst in seine eigene Vergangenheit bevor er zum Kern der Sache gelangte. Wenn überhaupt. Einige Male zögerte er seine Meinung zu äußern oder erinnerte weise daran, daß jeder literarische Text Anstrengung erfordere. Lieblingssatz: „Ich kann allem zustimmen, was bisher gesagt wurde.“
Die anderen Mitglieder verblüfften durchaus, so Meike Feßmann mit ihren sozialtherapeutischen Interpretationsansätzen und den Verweisen auf Surreales. Kritischstes Wort: „Du“
Hubert Winkels erklärte mit einem interpretatorischen Pfauenrad die Inflation wilder Hundenamen. Literaturwissenschaftlichste Analyse: „Kontrafaktur des Dschungelbuchs“
Daniela Strigl und Paul Jandl hörte ich am liebsten zu, weil sie begründet und klar ihre Meinung äußerten. Jandl gebührt der Preis für die amüsantesten Kurzkritiken und Strigl für ihren Dackel Mowgli und die Hühnerkopfabtrennungsallergie. Diese Beiden müssen auf jeden Fall bleiben, falls es im kommenden Jahr Änderungen in der Juryzusammensetzung geben sollte.
Auch Änderungen am Reglement würde ich begrüßen. Warum können die Texte nicht einige Stunden vor der Lesung online gestellt werden? So hätten Autoren und Zuhörer der Sprachexperimente größeres Verständnis.
Die Vorstellungsfilme der Autoren wirken meist peinlich und aus der Not geboren. Die beabsichtigte Aussagekraft ist eher gering. Können sich die Autoren überhaupt damit identifizieren? Ein gutes Interview wäre eine Alternative.
Eine kleine Reform würde auch der Juryabstimmung nicht schaden. Bisher zieht sie sich umständlich in die Länge, weil jeder Juror zunächst für seine(n) eigenen Kandidaten stimmt. Wäre es nicht besser diese Option auszuschließen?
Ich erwarte gespannt das nächste Jahr und hoffe, daß dieses Literaturereignis weiterhin live übertragen wird.
Bis dahin kann man sich auf folgenden Blogs noch mal der besten TDDL-Momente 2012 erinnern:
Denkding