„Männer-WG mit Trinkzwang
” — Bier bringt Burschen zum Singen
Welches Buch wäre geeigneter bei einem Urlaub mit Amici und Moretti am Fuße des Sasso di Simone gelesen zu werden als das eines Geologen über Freundschaft und Bier? “Männer-WG mit Trinkzwang”, der neu erschienene Roman des von Gesteinsformationen in Softwaresphären gewechselte und als Poetry Slammer bekannt gewordenen Karsten Hohage ist dies alle Mal.
Stellt euch also schon mal eine Kiste Bier kalt, diese Lektüre macht durstig. Nicht weil sie so trocken wäre, sondern weil sie Appetit macht, Bierappetit. Kapitel um Kapitel lässt sich eine Flasche leeren, auf Ex versteht sich. Wer auch zwischendurch Durst verspürt, greife ruhig zu. Das Buch hat 45 kurzweilig verfasste Kapitel, die in authentischem Setting genossen werden wollen.
Außer Unmengen an Bier, dem wir in Form des Gemäß begegnen, treffen wir auf Mützen, Schärpen, Fahnen und Chordamen. Genau, wir befinden uns in der Welt der Studentenverbindungen. Bewusst und durch die Lektüre belehrt wähle ich nicht den Begriff Burschenschaft. Hohage war Mitglied einer Sängerschaft und schreibt als solcher gegen die immerwährende Verwechslung an. Dies unternimmt er in einer Art fiktionalisierten Biographie. Der Ich-Erzähler trägt zwar den gleichen Namen wie der Autor, der Name der Sängerschaft wurde jedoch verklausuliert und der Studienort verbirgt sich hinter der liebevollen Bezeichnung “schnuckelige Universitätsstadt”. Wir erfahren von den ersten Studienjahren eines Verbindungsstudenten, der eigentlich nur ein Zimmer suchte und “auf dem Haus” doch viel mehr fand. Einen Freundschaftsbund, den er nach etlichen Mutproben und Räuschen, ethnologisch betrachtet germanisch-romantisierten Initiationsriten des frühen 18. Jahrhunderts, nicht mehr missen möchte.
Dieses Konglomerat aus Entwicklungsroman und Insiderbericht ist eine durchaus unterhaltsame Lektüre, eine Erinnerung an die Studentenzeit als viele Probleme noch so gering waren, daß sie in einer hinreichenden Menge Bier ertränkt werden konnten. Größere Schwierigkeiten hingegen bewältigte man gemeinsam. Der Roman erzählt Outsidern, also Frauen und anderweitig Emanzipierten, wie es so zugeht auf dem Haus. Verspürte man nicht die sympathisch wirkende Nostalgie für den durch Gerstensaft generierten Gruppenzusammenhalt, so könnte man leise lächelnd denken, daß man es sich schon immer so gedacht habe. Oder hatte man es sich nicht viel schlimmer vorgestellt? Das Klischee der nationalistisch konservativen Verbindungstypen bestätigt Hohages Roman nicht. Er widerspricht ihm vehement, vor allem was die geschilderte Sängerschaft betrifft. Hohage erwähnt allerdings, daß es durchaus andere Fälle gibt.
Sein Plädoyer für ein veraltetes WG-Modell, das zwar mitunter pubertär wirkt, aber auf Freundschaft und Vertrauen basiert, ist ein neues, etwas anderes Campusbuch über ein altes Phänomen.
Nunc est bibendum!
Auf der vom Autor eingerichteten Seite zum Buch lässt sich die Rezeption bei Presse, Buchhandel und Betroffenen verfolgen.
Karsten Hohage, Männer-WG mit Trinkzwang: Wie ich in einer Verbindung landete und warum das gar nicht so schlimm war, rororo, 1. Aufl. 2012