Verwechslungsklamotte mit guten Dialogen — „Willkommen auf Skios“ von Michael Frayn
„Erzählen Sie ihr, was Ihnen gerade einfällt. Sie muss nur sehen, dass jemand sich bemüht. Sagen Sie ihr das kleine Einmaleins auf. Sie wird es nicht verstehen. Ein Mund, der auf- und zugeht. Mehr wollen die meisten Leute hier nicht, wenn man es recht betrachtet. Und eins Ihrer netten Lächeln. “
Auf einem kleinen, kargen Inselchen in der griechischen Ägäis bahnt sich der Höhepunkt der Saison an. In einer exklusiven Kulturstiftung erwarten die nicht minder exklusiven Mitglieder aus Geld- und Bildungsadel den Jahresvortrag. Halten wird ihn Dr. Norman Wilfred, der als Vortragsreisender in Sachen Szientometrie seine gut gereiften Erkenntnisse schon seit Jahren weltweit verwurstet. Sein Antagonist, der junge, attraktive Oliver Fox will auf der Insel ein Wochenende mit seiner jüngsten Eroberung verbringen, deren Freundin Nikki wiederum als Assistentin der Stiftung den Vortrag organisiert. Nikki wartet am Flughafen als Wissenschaftler und Nichtsnutz gleichzeitig dort eintreffen. Von ihrer adretten Nettigkeit angezogen steuert der Nichtsnutz auf sie zu, gibt sich als erwarteter Wissenschaftler aus und die Verwicklungen beginnen.
Verwechslungskomödien haben mich noch nie besonders begeistert. Zwei Personen rutschen in die falschen Rollen und dann dauert es wegen etlicher Kapriolen quälend lange bis irgendeiner dahinter kommt. Alle Anwesenden sind geblendet von ihren eigenen Erwartungen. Sie halten den Falschen für den Richtigen und selbst eindeutige Hinweise bringen sie nicht auf die Spur. Sie verharren in Schafsstarre, unkritisch, leichtgläubig, großäugig und vertrauensselig. Das Funktionsprinzip solcher Geschichten ist die Schadenfreude der Zuschauer und Leser. Sie beobachten das Geschehen von außen, wissen mehr als die involvierten Figuren und amüsieren sich über deren Geschick. Meinem Humor entspricht dies nicht. Anfangs verspüre ich Mitleid mit dem Benachteiligten, der neben dem Glückspilz zum Zwangsinventar derartigen Klamauks zählt. Doch bald befällt mich der Wunsch die Sache aufzuklären. Wegen der Unerfüllbarkeit dieses Ansinnens werde ich schließlich so nervös, daß ich Film, Stück oder Roman verlasse.
„Willkommen auf Skios“ habe ich zu Ende gelesen. Ein früherer Roman des Autors, „Das Spionagespiel“ hatte mich beeindruckt. Auch der neue Roman Frayns ist stilistisch sehr gut gemacht. Wortspiele und Anspielungen entlarven die nicht nur akademischen Eitelkeiten. Die raschen Wechsel von Perspektive und Schauplätzen enden stets mit einem Cliffhanger, der hohes Lesetempo erzeugt. Trotzdem vermochte der Inhalt der Story nicht mein Interesse zu wecken. Der Humor wirkt nicht schwarz und englisch sondern plump und dick aufgetragen. Immerhin bieten einige brillante Dialoge Vergnügen. Aber das war’s dann auch. Die intellektuelle Herausforderung einer einigermaßen plausiblen Auflösung dieses Kuddelmuddels spart sich Frayn. Seine Boulevardkomödie mündet in einer Slapstick-Explosion. Übrig bleiben Trümmer und heiße Luft.
Michael Frayn, Willkommen auf Skios, Carl Hanser Verlag, München 2012
Das hört sich ja eher nach einer Enttäuschung an und dabei war der Roman sogar für den Booker Preis auf der Longlist. Eigentlich hatte ich ihn unbedingt lesen wollen, aber Deine Rezension bringt mich da ein klein wenig ins straucheln.
LG, Katarina 🙂
Wenn Du ihn unbedingt lesen willst, dann solltest Du Dich von mir nicht davon abhalten lassen. Dieser Roman und sein Humor sind Geschmackssache. Ich mag nunmal diese Verwechslungsklamotten überhaupt nicht. Sie erinnern mich an Komödien aus dem Ohnsorgtheater oder dem Bayernstadl, die ich schon als Kind kaum ertragen konnte. Aber auch die waren sehr erfolgreich.
Die „Kniffe”, mit denen im Roman den bevorstehenden Konfrontation aus dem Weg gegangen wird, haben mich als Leserin einfach beleidigt. Wahrscheinlich sollte niemand überfordert werden, ich war es aber dennoch. 😉