Über Zufall und Singularität

Jonas Lüscher lässt seinen Antihelden „Kraft“ sarkastisch scharf über das Leben schwafeln

In die­ser Nacht schrieb er ei­ne lan­ge Mail, in der er Ivan sei­ne Zu­sa­ge über­mit­tel­te und ihn bat, für vier­zehn Ta­ge sein Gast sein zu dür­fen, be­vor er sich, Rü­cken an Rü­cken, ne­ben sei­ne be­reits schla­fen­de Frau leg­te, selbst aber lan­ge kei­nen Schlaf fand und sich, je­de Vier­tel­stun­de die Glo­cken­schlä­ge der Stifts­kir­che zäh­lend, lang­sam in ei­ne Wut hin­ein­stei­ger­te; ei­ne Wut, ge­speist aus Hei­kes re­gel­mä­ßi­gem At­men, das ihm un­an­ge­mes­sen fried­lich vor­kam, und dem Ge­fühl des Ver­sa­gens an­ge­sichts der Tat­sa­che, dass der Aus­weg aus der Sack­gas­se, in die er sein Le­ben hin­ein­ma­nö­vriert hat­te, sich nicht, wie er im­mer an­ge­nom­men hat­te, im schar­fen Nach­den­ken über die Welt – als sol­ches be­zeich­ne­te er ger­ne Drit­ten ge­gen­über sei­ne Pro­fes­si­on, die er sich zu­gleich als Le­bens­form ver­ord­net hat­te -, son­dern, wie es nun ganz of­fen zu­ta­ge trat, doch ein­fach im Mo­ne­tä­ren fand, auch wenn, aber das schien ihm eher ei­ne zu­sätz­li­che Krän­kung, das er­lö­sen­de Geld mit eben­je­nem schar­fen Nach­den­ken über die Welt erst ein­mal ge­won­nen wer­de musste.“

Lan­ge, aus­fran­sen­de Satz­pe­ri­oden sind ein Stil­merk­mal von Jo­nas Lüschers Ro­man „Kraft“ und des­sen gleich­na­mi­gen Prot­ago­nis­ten. Kein Wun­der, ist die­ser Ri­chard Kraft doch Rhe­to­rik­pro­fes­sor der Uni­ver­si­tät Tü­bin­gen, er­go ein Meis­ter der Re­de. Der­art aus­ge­stat­tet ver­spricht er „Über Zu­fall und Sin­gu­la­ri­tät“ weiterlesen