Wenig Überraschung bei der Longlist des Deutschen Buchpreises 2015

Alte Bekannte und zwei Neuentdeckungen

Logo_dbp_15_CMYKDas ak­tu­ells­te The­ma der Long­list, wel­che die dies­jäh­ri­gen Buch­preis-Ju­ry aus den knapp 200 Ti­teln zu­sam­men­ge­stellt hat, be­han­delt Jen­ny Er­pen­beck in ih­rem Ro­man „Ge­hen, ging, ge­gan­gen“ (Knaus). Im Auf­ein­an­der­tref­fen von jun­gen Mi­gran­ten und ei­nem Pro­fes­sor in Kreuz­berg zeigt sie ei­nen mög­li­chen Um­gang mit Flüchtlingen.

Wie Er­pen­beck sind auch die üb­ri­gen no­mi­nier­ten Na­men wohl­be­kannt in der deut­schen Li­te­ra­tur­land­schaft. Es ist al­so kaum ver­wun­der­lich, daß ich in mei­ner klei­nen Long­list-Lot­te­rie ei­ni­ge Tref­fer ver­zeich­nen kann. Die 5 aus 20 sind der in Hei­del­berg le­ben­de Ralph Dut­li, der in „Die Lie­ben­den von Man­tua“ (Wall­stein) aus der Lie­be ei­ne Re­li­gi­on macht, Va­le­rie Frit­sch mit „Win­ters Gar­ten“, de­ren Dys­to­pie wie Heinz Hel­les the­ma­tisch ähn­li­ches Buch „Ei­gent­lich müss­ten wir tan­zen“ im Suhr­kamp Ver­lag er­schei­nen wie auch „Die Stun­de zwi­schen Frau und Gi­tar­re“ von Cle­mens J. Setz. Mein letz­ter Tref­fer ist der neue Ro­man „Sie­ben­tür­me“ (Ki­Wi) von Fer­idun Za­i­mo­g­lu, der sei­nen jun­gen Prot­ago­nis­ten wie sei­ne Le­ser in das Is­tan­bul des Jah­res 1939 versetzt.

Die Na­men der be­reits ge­nann­ten Au­toren wei­sen auf ein Merk­mal der ak­tu­el­len Long­list hin, sie birgt we­nig Über­ra­schen­des. Er­pen­beck, Dut­li, Setz und Za­i­mo­g­lu tra­ten schon ein­mal für die­se Aus­zeich­nung an, eben­so wie Ali­na Bron­sky, Il­ja Tro­ja­now und Rolf Lap­pert. Pro­mi­nent im Feuil­le­ton ver­tre­ten sind auch Ger­traud Klemms Ro­man zur Frau­en­fra­ge „Aber­land“ (Dro­schl) und die in den sieb­zi­ger Jah­ren spie­len­den Wer­ke von Ul­rich Pelt­zer „Das bes­se­re Le­ben“ (S. Fi­scher) und Frank Wit­zel „Die Er­fin­dung der Ro­ten Ar­mee Frak­ti­on durch ei­nen ma­nisch-de­pres­si­ven Teen­ager im Som­mer 1969“ (Matthes &Seitz). Letz­tem ge­bührt der Lor­beer für den längs­ten Ti­tel, the­ma­tisch in Preis­nä­he rückt je­doch eher Pe­ter Rich­ter, der mit „89/90“ den dies­jäh­ri­gen Wen­de­ro­man vorlegt.

Er­war­ten wür­de ich den Hautpge­winn für Jen­ny Er­pen­becks Mi­gra­ti­ons­ro­man. Mei­ne Fa­vo­ri­tin al­ler­dings ist Frit­sch mit ih­rer sprach­lich über­ra­schen­den poe­tisch-pa­the­ti­schen End­zeit-Ele­gie.

Es blei­ben fol­gen­de Ro­ma­ne, die si­cher ein gro­ßes Le­se­pu­bli­kum er­rei­chen wer­den, „Ri­si­ko“ (Klett-Cot­ta) von Stef­fen Ko­petz­ky und Kai Weyands „Ap­plaus für Bro­ni­kow­ski“ (Wall­stein) so­wie die bei­den his­to­ri­sie­ren­den Wer­ke von In­ger-Ma­ria Mahl­ke „Wie ihr wollt“ (Ber­lin Ver­lag) und „Der Fuchs und Dr. Shi­ma­mu­ra“ (Be­ren­berg) von Chris­ti­ne Wunnicke.

So­mit hält die­se Lis­te ne­ben dem hübsch-häss­li­chen Co­ver von Mo­ni­que Schwit­ters Buch „Eins im An­de­ren“ (Dro­schl) we­nig Neu­es für mich be­reit. Dies sind der Ber­lin-Ro­man „Bo­den­tie­fe Fens­ter“ (Ver­bre­cher Ver­lag) von An­ke Stel­ling und die Sa­ti­re „Lu­cia Bi­nar und die rus­si­sche See­le“ (Zsol­nay) des Ös­ter­rei­chers Vla­di­mir Vertlib.

Wel­che der ge­nann­ten Ti­tel am 16. Sep­tem­ber auf der Short­list lan­den, lässt sich al­ler­dings be­reits jetzt ab­se­hen. Doch da­zu spä­ter ein­mal, einst­wei­len wün­sche ich schö­nes Le­sen der off­zi­el­len, in­of­fi­zi­el­len oder der in­di­vi­du­el­len Longlist.

Wer lie­ber mit als selbst le­sen möch­te, fin­det da­zu bei den Buch­preis­blog­gern Ge­le­gen­heit, zum Bei­spiel bei Ma­ra Gie­se von Buzz­al­drins Bü­cher.

Wer die Sa­che kri­tisch sieht, der grei­fe zu die­ser Sa­ti­re.

 

Long­list 2015:

Ali­na Bron­sky: Baba Dun­jas letz­te Liebe
Kie­pen­heu­er & Witsch, Au­gust 2015

Ralph Dut­li: Die Lie­ben­den von Mantua
Wall­stein, Au­gust 2015

Jen­ny Er­pen­beck: Ge­hen, ging, gegangen
Knaus, Au­gust 2015

Va­le­rie Frit­sch: Win­ters Garten
(mei­ne Re­zen­si­on)
Suhr­kamp, März 2015

Heinz Hel­le: Ei­gent­lich müss­ten wir tanzen
Suhr­kamp, Sep­tem­ber 2015

Ger­traud Klemm: Aberland
Dro­schl, Fe­bru­ar 2015

Stef­fen Ko­petz­ky: Risiko
Klett-Cot­ta, Fe­bru­ar 2015

Rolf Lap­pert: Über den Winter
Han­ser, Au­gust 2015

In­ger-Ma­ria Mahl­ke: Wie Ihr wollt
Ber­lin, März 2015

Ul­rich Pelt­zer: Das bes­se­re Leben
S. Fi­scher, Ju­li 2015

Pe­ter Rich­ter: 89/90
Luch­ter­hand, März 2015

Mo­ni­que Schwit­ter: Eins im Andern
Dro­schl, Au­gust 2015

Cle­mens J. Setz: Die Stun­de zwi­schen Frau und Gitarre
Suhr­kamp, Sep­tem­ber 2015

An­ke Stel­ling: Bo­den­tie­fe Fenster
Ver­bre­cher Ver­lag, März 2015

Ili­ja Tro­ja­now: Macht und Widerstand
S. Fi­scher, Au­gust 2015

Vla­di­mir Vert­lib: Lu­cia Bi­nar und die rus­si­sche Seele
Deu­ti­cke, Fe­bru­ar 2015

Kai Weyand: Ap­plaus für Bronikowski
Wall­stein, März 2015

Frank Wit­zel: Die Er­fin­dung der Ro­ten Ar­mee Frak­ti­on durch ei­nen ma­nisch de­pres­si­ven Teen­ager im Som­mer 1969
Matthes & Seitz, Fe­bru­ar 2015

Chris­ti­ne Wun­ni­cke: Der Fuchs und Dr. Shimamura
Be­ren­berg, März 2015

Fer­idun Za­i­mo­g­lu: Siebentürmeviertel
Kie­pen­heu­er & Witsch, Au­gust 2015

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